Der Wechselwirkungskreis
Ergänzende Einführung in das Kapitel der Wechselwirkungen
Wir haben die drei Einflußgrößen Dichte, Ressourcenstrom und Organisationsgrad, die sowohl direkt aufeinander, als auch über den Menschen miteinander wechselwirken. (Abb. Kybdrei_Ind) Sie werden vom Individuum wahrgenommen, emotional verarbeitet und gelegentlich in Handlungen umgesetzt. Auch untereinander wechselwirken die Individuen: horizontal vorwiegend durch Anziehung und Abstoßung, Informations- und Ressourcentausch, vertikal zusätzlich durch Steuerung und Aktion, durch Wandlung von Information in die Tat.
Sofern die Handlungen, durch starke Norm gerichtet und hierarchisch gesteuert erfolgen, bringen sie kollektive Wirkungen hervor. Diese erst verändern dann eine der Struktur-Größen durch die andere, indem sie beispielsweise bei Verdichtung den Organisationsgrad steigern. Dieser Zusammenhang ist in seiner ganzen Strenge weitgehend verkannt worden. So muß eine wachsende Population die Arbeitsteilung vertiefen, Vorratswirtschaft einführen oder militärisch-räuberisch tätig werden, damit sie überlebt.
Das Wachstum wird den Individuen bewußt durch die Abnahme des Ressourcenstromes; emotional spiegelt es sich in ihnen als eine Bedrängnis, die Taten zu ihrer Überwindung braucht. Es geht um das Ganze, für das ein Weg zur Rettung gefunden werden muß. Es geht um den Erhalt des Bereichs. Die Notwendigkeit des Bereichserhalts wandelt oft individuelle Bedrängnisse in kollektive Bewegungen. Diese Bewegungen können Teile der Menschheit, Nationen, Religionen, Zivilisationen begünstigen (durch die unsichtbare Hand), sie können ihnen aber auch schaden (durch denselben Egoismus, den die unsichtbare Hand zum Guten wendet). Gut und Böse liegen offenbar windschief zu Wohl und Wehe.
Die Gesellschaft kann auch auf mehr Organisation verzichten oder ist nicht imstande, sie zu verwirklichen. Im zweiten Fall wird sie dann aber durch Hunger oder internen Streit auf den alten Stand zurück- oder auf einen tief darunterliegenden fallen. Es gibt Gesellschaften, auch traditionale, die von vornherein durch verschiedene Techniken der Regelung auf die Verdichtung verzichten.
Mittlerweile werden Entwürfe zu einer sog. Erdpolitik vorgelegt, die u.a. die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Befindlichkeiten und den Ereignissen und Strukturen der Umwelt herzustellen versuchen. (S. Joseph Huber in “Weltumweltpolitik zwischen Ökologie und Ökonomie, in Schmit / Trinczek (Hg.) Soziale Welt, Sonderheft Globalisierung, 1999)
Die Forderungen der o.g. Schrift können gut nachvollzogen werden. Sie bleiben natürlich Forderungen, sie bleiben im Reich des Geistes, solange der Entspannung in der Dichtefrage nicht das nötige Gewicht zuerkannt wird. So ist tatsächlich der “Strukturwandel von den nationalen und internationalen Umweltbürokratien zu einem von Korporationen getragenen aktiven Innovationspolitik” besser als das “Verharren in der durch den Wortradikalismus der Bürokratien garnierten Ineffizienz”. Wir sollten den kleinen Finger nehmen, solange wir die Hand nicht bekommen können.
Der Artikel ist ein Kompendium aller Zwänge, unter denen wir die Welt verwüsten. Doch können die dort gesetzten Ziele solange als die Teilziele einer Rettung gelten, wie es den Menschen nicht gelingt, die eigentliche Entspannung offen zu formulieren und anzugehen. Die Zusammenhänge mit dem Organisationsgrad machen den Wissenschaftlern jedoch ziemliche Schwierigkeiten. (S. 6) Zunächst wird in aller Unschuld eine nachhaltige Ressourcennutzung gefordert, “die das wirtschaftliche Wachstum nicht behindert” und dann hat dies noch unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit zu erfolgen. (WCED 1987 und Rio-Dokumente 1999) Gerade diese beiden Punkte sind es aber, die schon einer viel geringeren Dichte bzw. Verdichtung zum Opfer gefallen sind und sich heute ständig und real als beschleunigte Verwüstung und wachsende Ungleichheit äußern.
Nichts gegen das Nachhaltigkeits-Leitbild “tragbare Bevölkerungsdichte und tragbare Immissionsbelastung, regenerierbarer Verbrauch sowie umweltverträgliche und naturintegrierte Innovation”. Der Autor gibt die Vergeblichkeit jener Forderungen gleich zu Protokoll, führt diese (Vergeblichkeit) aber auf die fehlerhafte Zielsetzung und Handlungsweise der Verantwortlichen zurück. Es scheint aber eher, daß das “Richtige” (i.S. des obigen Leitbildes, wenn auch quantitativ nicht zu fassen) überhaupt nicht machbar ist, solange die Dichte dem Menschen keine Alternativen läßt, bzw. ihm einen Organisationsgrad aufzwingt, der ihn psychisch und dazu die Biosphäre materiell überfordert.
Sofern die Dichte aber ein Maß unterschritte, das Alternativen ermöglicht und Lebensvielfalt erhält, das vor allem den Wachstumszwang bricht, hätten wir die Freiheit, über den weiteren Verlauf unserer Geschichte zu bestimmen.
Gegenwärtig aber stehen wir vor dem Problem, daß die langfristige Notwendigkeit des Rückbaus konterkariert wird durch die Kurzfristige des Wachstums.
Die kybernetische Verkettung der vier Momente individuelles Verhalten, Dichte, Organisationsgrad und Ressourcenstrom, dargestellt durch paarweise Wechselwirkung.
D –> O (I); O –> R (II); R –> D (III); D –> R (IV); R –> O (V); O –> D (VI)
I.a Dichte (steigend) ---> Organisationsgrad (<D -–> O)
Eine meist sehr allmähliche Verdichtung steigert i.d.R. den Organisationsgrad. Um eine wachsende Population zu versorgen, muß der Ressourcenstrom anschwellen, also der Organisationsgrad steigen, der ihn treibt. Tut er das nicht, stockt die Versorgung; der Mangel meldet sich und Konflikte drohen. Sobald wenn sich einzelne traditionale Siedlungen bilden, werden Arbeitsteilung, Austausch, Abstimmung und Lenkung unvermeidlich. Schließen sich die Siedlungen zusammen, kommen notwendigerweise Handel, Handelswege und institutionalisierte mehrstufige Hierarchie hinzu.
Eine neue Qualität der Organisation tritt mit den koordinierten Auseinandersetzungen auf. Ob die abgestimmte Jagd der Löwen und Wölfe, die Gruppenkriege an den Gebietsgrenzen von Gorillas (innerhalb einer Art!), die Raubzüge der Hirtenvölker oder die Gebietsaneignung und -sicherung der Großreiche - alle erfordern genauste zeitliche Abstimmung, Disziplinierung, Einübung, neueste Technik. Vom Militär werden diese Entwicklungen zusätzlich konturiert und auf die Spitze getrieben.
Häufig gelten Erfindungen als Treiber des Fortschritts. Einzelne Innovationen können aber solche Schübe nicht bewirken. Das gesamte Umfeld muß vorbereitet sein. Das Rad ist eine revolutionäre Erfindung; doch ohne Straßen rollt es nicht. M.a.W. muß der Organisationsgrad der Innovation entsprechen; alle Einrichtungen, Übungen, Gesetze, Bauten sind nach und nach auf den Stand zu bringen, in den sie hineinpaßt. Und auch diese Einzelstände müssen untereinander verträglich sein. Daher kann der Organisationsgrad nur allmählich ansteigen.
Plötzliche Verdichtungen dagegen aus Mißernte (Erinnerung: Ressourcenschwund wirkt auf das Individuum als Bedrängnis wie eine Verdichtung und heißt daher genauer “relative Verdichtung”), Bedrohung, Seuchen, Krieg oder anderen Katastrophen lassen dem Organisationsgrad meist keine Zeit für ein Wachstum. So konnte die mittelalterliche Holzkrise nicht durch die Kohle aufgefangen werden, weil sowohl die technischen Verfahren als auch die Organisationsformen zu ihrer Nutzung noch nicht entstanden waren. Hier ergeben sich Rückschläge und Zusammenbrüche. Auch der Verlust eines höheren Organisationsgrades kann meist nicht mehr auf einem niederen aufgefangen werden, weil derselbe nicht mehr existiert. So könnten keine Brikettlieferungen mehr einen Ausfall des Stromnetzes kompensieren, weil die gesamte Brikett-Infrastruktur verschwunden ist.
Es gilt im Zuge der Verdichtung, mehr Menschen zu ernähren, das Gewonnene zu konservieren und genauer aufzuteilen, also den technischen Organisationsgrad zu steigern sowie die Regelungen des Zusammenlebens, sprich die Verwaltung, die Schule, die Justiz etc. aufzubauen. Noch stringenter sind die Anforderungen im Krieg. Dort wurden sogar die Steuerungsmächte der abstrahierten Werte (mit Devisenbewirtschaftung, Lebensmittelkarten etc.) erfolgreich außer Kraft gesetzt. Man sieht, die Verdichtung als Entzug der materiellen und immateriellen Ressourcen erzwingt den gesteigerten Organisationsgrad, wenn die Sozietät überleben will. Sie erzwingt ihn aber nicht kausal oder mit Notwendigkeit, sondern im Rückgang auf den Erfolg. Ein Bereich, der den Organisationsgrad steigert, überlebt eben und einer der dies versäumt, verschwindet.
Dazu läuft parallel die “innere Kanalisierung”, die Herstellung des organisationsgeeigneten Individuums; es ereignet sich Disziplinierung, Ausbildung, Charakterbildung und -verderb über mehrere Generationen. Wehler (“Die Herausforderung der Kulturgeschichte, Beck 1998, S. 74) kommentiert Foucault in diesem Sinne: “Auf neue Problemstöße muß die moderne (warum nur die? m.) Gesellschaft mit einer ständig verbesserten Kontrollkapazität, mit einer Optimierung ihrer Machttechniken und Steuerungsstrategien reagieren.” Das Ordnen der Gesellschaft verlangt hochgeordnete Individuen. Deren innere Ordnung ergibt sich je nach Stellung aus dem Grad der Disziplinierung, d.h. der stringenten Verbindung zwischen Information und Aktion, Frage und Antwort, Problem und Lösung bzw. Befehl und Gehorsam.
Hat erst eine Hierarchiebildung eingesetzt, so stärkt sie sich selbst infolge von Verdichtung - erstens durch das Interesse Derer da oben, zweitens durch Festigung des Privilegs infolge von Privilegien, drittens durch die Einrichtungen, die bereits mit ihr (hier der Mehrstufigkeit) gewachsen sind und viertens durch die Disziplinierung der Individuen, die das Funktionieren der Bediener jener Einrichtungen gewährleistet. Soll heißen, daß die Hierarchie als gewichtiges Moment des Organisationsgrades auch diesen steigert durch sich selbst. (Ausgeführt in “hierarchiebildende Kräfte”).
Das Schwinden der materiellen, aber besonders der ideellen Ressourcen “Alternative” und “Zukunft” setzt gewaltige Emotionen - konstruktiv oder destruktiv - frei. Aber es geschieht erst etwas im Sinne einer gesellschaftlichen Bewegung, wenn ein Mindestmaß an Organisation, nämlich die Gleichrichtung hinzugekommen ist. Die aus dem Druck erwachsenden Emotionen verlangen Bewegung und die Bewegung setzt Vereinheitlichung, Einordnung und schließlich Gemeinsamkeit und Gleichrichtung voraus. Die dahin führenden Prozesse und Strukturen wirken wieder auf die Ressourcenströme usw. und schließen den Kreis unseres Logos. Sicher gibt es darin beträchtliche Zeitversetzungen durch Lern- und Umlernprozesse, aber von der Einführung der Mehrstufigkeit im Neolithikum bis in die Gegenwart der Globalisierung hat der Vorgang so funktioniert. Wo er unterbrochen wird, weil der technische Organisationsgrad nicht folgen kann, wie zB auf den Osterinseln, erfolgt ein Rückfall, nicht in den letzten, sondern in den nächstvorhandenen, also meist einen weit davorliegenden Zustand. Das Gleiche gilt für eine verminderte Dichte, einen Bevölkerungsverlust, der, wie im Dreißigjährigen Krieg, den erreichten Grad nicht halten kann. Der Rückfall endete, wenn nicht in den Wüstungen, so doch z.T. in den Grabstock- bzw. Gartenbaukulturen. Nochmals: der Organisationsgrad ist nicht gezwungen, der Verdichtung zu folgen; wo er aber zurückbleibt, versiegt der Ressourcenstrom, es verschwindet der Bereich und uns bleiben gerade die Artefakte.
Damit haben wir (welt-ökologisch) das Problem, den notwendigen Rückbau nicht einleiten zu können. Wir sehen, daß ein unaufhaltsames Wachstum sowohl den Organisationsgrad, d.h. hier: die Organisationsfähigkeit der Menschen, als auch die Ressourcenvorräte und die Senken überfordert. Wir müssen es also aufhalten und rückgängig machen. Nur: die Opfer dafür, Geburtenkontrolle und Brechung des Wachstumszwangs, müssen vorher aufgebracht werden; die Opfer für den großen Crash werden dagegen abgeholt, sozusagen portofrei. Solange wir die Wahl haben, etwas oder nichts zu tun, tun wir nichts. Wenn wir die Wahl nicht mehr haben, tut es mit uns.
Drei Ziele auf dem Weg zu einer dauerhaften menschlichen Gesellschaft sollten wir auf jeden Fall ansteuern und miteinander in Einklang bringen:
Erstens die Schaffung von Alternativen. Jeder sollte wählen können, ob er sich in die arbeitsteilige Gesellschaft einbringt, oder ob er versucht an ihrem Rand nahe der Subsistenz (auch zeitweise) zu leben. Es geht also nicht um die Berufswahl, sondern um die freie Auswahl des Organisationsgrades, um einfaches, evtl. singuläres Leben oder um die Einbindung in große und komplexe Gruppen. Jeder sollte eine Gemeinschaft verlassen können, von der er sich zu stark kanalisiert fühlt.
Zweitens sollten der Ressourcenstrom nie ein Maß überschreiten, das ihm die Nachhaltigkeit nimmt.
Drittens muß die Größe der Bereiche unter dem Maß bleiben, das den Wachstumszwang einleitet.
Alle drei Ziele hängen wesentlich mit der Dichte zusammen. Mit sechs oder sieben Milliarden Menschen auf der Erde sind sie jedenfalls außer Sicht. Und wo nicht die bloße Dichte Land und Leute frißt, da tut es der durch sie erzwungene Organisationsgrad.
Nimmt man dann die verschiedenen bereits angestellten Überlegungen und versucht ohne weitere Ansprüche wenigstens irgendeine Zahl zu nennen, dann könnten 10 Mill. Menschen auf dem Gebiet des gegenwärtigen Deutschland eine Dichte abgeben, die wenigstens ein Innehalten im Hamster- und Lemmingrennen und einen Moment des Nachdenkens gestattet. In Mitteleuropa könnte man sich das so vorstellen, daß es pro Land oder Bundesland immer noch ein Zentrum mit durchaus großstädtischem Leben gibt. D.h. es wird ein hierarchischer Aufbau gewahrt, der aus Zonen verschiedenen Organisationsgrades besteht. Ein darin befindliches steuerndes Zentrum könnte von einer Wirtschaftszone mit den Ausmaßen des sog. Speckgürtels versorgt werden. Außerhalb desselben sei es umgeben von einem nach Möglichkeit mehrere hundert Kilometer breiten Ring unberührten Landes. Diese Gebiete dürfen keiner starren Sperrung unterliegen, sondern müssen zeitweise freigegeben, aber auch wieder geräumt werden können. Gibt es nämlich kein ungenutztes, sozusagen frei verfügbares Land mehr, sind auch wieder die Alternativen beschränkt. Soweit die Utopie, die vielleicht nicht machbar ist, aber beim Durchdenken einige Zusammenhänge verdeutlicht.
I.b Dichte (fallend) --> Organisationsgrad (2) (>D –> O)
Das Verhalten des Organisationsgrades bei sinkender Dichte ist z.T. schon oben angesprochen worden. Man sollte zunächst annehmen, daß mit der Entspannung eine allmähliche Senkung des Orggrs erfolgt. Empirisch und nach Einsicht in den Wachstumszwang muß man aber zur Kenntnis nehmen, daß dann eher Zusammenbrüche stattfinden. Dies hat (wie mehrfach ausgeführt) seine Ursache darin, daß es den vorletzten Organisationsgrad (bei uns passend beispielsweise zur vorletzten, pränetalen Dichte von vor 20 Jahren) und einige weitere darunter nicht mehr gibt. Wir haben keine Bollerwagen, unsere Gruben sind stillgelegt, Dampfloks verschrottet, Autos fahren nicht ohne Chips und keiner kann mehr mit der Ahle Schuhe machen. Ja, es ist zu befürchten, daß es beim Versiegen der Pipelines außer dem Kannibalismus keine Versorgungsform mehr gibt, die eine Millionenstadt erhalten kann.
Dieses Szenario erscheint nicht mehr übertrieben, wenn man das Angstgeschrei hört, von dem ein nachlassendes (noch nicht einmal ein sinkendes) Wachstum begleitet wird.
Mathematisch gesprochen verhält sich der Organisationsgrad als Funktion der Dichte aufwärts stetig und abwärts unstetig. Denn auch solche Innovationsschübe, wie die Kohleförderung oder die Elektronik ändern die Situation der Gesellschaft langsamer als Krieg und Hunger. Eine leicht Unsicherheit, eine Erschütterung des Glaubens an die abstrahierten Werte dagegen läßt die Wirtschaft regelrecht zusammenbrechen.
II.a Organisationsgrad (steigend) -–> Ressourcenstrom (<O -–> R)
Wenn der Ressourcenstrom gesteigert werden muß, ist der Organisationsgrad gefragt. Die Jagdwaffen sind zu verbessern, der Pflug muß eingesetzt (zuvor erfunden), die Fördermethoden und -geräte müssen vervollkommnet werden, das Wissen ist zu erwerben... es ist eigentlich keine Frage, daß mit dem Organisationsgrad der Ressourcenstrom steigt. Also positive Korrelation.
Aber auch für einen sinkenden Ressourcenstrom ist oft der Organisationsgrad zu steigern. Man beabsichtigt, bei gleichbleibender oder zunehmender Dichte den Verbrauch zu senken. Was hat man zu tun? Nun, man muß Mülltrennung einführen, Wärmedämmung ergänzen, Rohrleitungssysteme erneuern, Erziehung verbessern und/oder Sanktionen verschärfen, Zusammenrücken, kurz, den Organisationsgrad steigern. Die Erfahrung ist allerdings, daß hierbei zunächst der Aufwand und die Kosten, also die Verbräuche gleichfalls steigen und dann in der Folge sowieso kaum mehr sinken. Trotzdem wollen wir die Hoffnung der Ökologen teilen und es so ausdrücken: positive Korrelation, aber negative möglich.
Immerhin gibt es Beispiele aus der Geschichte, wo wir einen geringeren Verbrauch durch verstärkte innere Disziplinierung feststellen können. Wir müssen nur Sparta und Athen miteinander vergleichen oder Bangladesh und Belgien. Beim zweiten Vergleich gibt es allerdings wieder Einschränkungen, denn die Disziplinierung in Mitteleuropa ist angesichts der Vielfalt und Stärke der hier fließenden Ströme weit höher als in Bangladesh. Sofern man nicht zu den Überflüssigen gehört, ist man durch fachliche Anforderungen und den hohen technischen, juristischen, baulichen sowie sonstigen Organisationsgrad weit mehr kanalisiert als durch Mangel, Enthaltsamkeit und Überlebensanstrengung in den sog. Armutsländern. Sagen wir so, die äußeren Beschränkungen dort sind durch Innere hier zu kompensieren. Eine Übertretung, ein Fehler auf niederem Niveau rächt sich nur schneller und materiell fühlbarer als einer auf hohem. Wer dort einem Taschendieb zum Opfer fällt, hat abends Hunger, wer hier einem Baubetrüger aufsitzt, verliert nach Monaten sein soziales Umfeld. Der unmittelbare Zwang wird zum mittelbaren.
Vor allem kommt es darauf an, von wo aus ich den Organisationsgrad erreiche. Komme ich von einem noch niedrigeren, dann ist der höhere eine Entlastung, komme ich von einem höheren, ist der Mittlere schon eine Entbehrung. Belgien, ja jedes westeuropäische Land, “auf Bangladesh gebracht” wäre funktionsunfähig und würde im Chaos versinken. Der technische Organisationsgrad für eine niedere Stufe wäre nicht mehr vorhanden, und wäre er es, dann fehlte ihm der Innere (z.B. Kenntnisse der Pferdepflege, Wohnen und Hygiene auf der Matte, Gewinnung und Bearbeitung von Flechtmaterial, Immunität gegen verseuchtes Trinkwasser usw.) zu seiner Nutzung.
Wie man auch immer die verschiedenen Arten von innerem Organisationsgrad, auch Anstrengung oder Stress quantifizieren will, es bleibt, daß der äußere über ihn eher bestimmt durch seine Veränderung als durch seine absolute Größe. “Arm” oder “Reich” ist in weiten Grenzen nicht maßgebend, aber ärmer werden oder reicher werden (können) sind von gewaltiger emotionaler Tragweite. Diese Möglichkeiten und Beschränkungen lösen gesellschaftliche Bewegungen aus. Sie mögen durch den langhin geprägten Charakter (i.S. Adornos) verstärkt und begünstigt sein, ihr gelegentlich explosives Auftreten setzt ihn (den Charakter) aber keinesfalls voraus. Betrachten wir Kotkins “Stämme”, (Joel Kotkin: “Stämme der Macht” .....) dann können wir die Aufstiegsdynamik überall zurückführen auf Bild X, “Auf- und Abstieg”, d.h. darauf, daß den “Neuen”, den Hungrigen, jeder Zustand innerhalb der Etablierten als erstrebenswert erscheint und von ihnen tatkräftig angegangen wird. Aufstieg hat immer ein Ziel, Abstieg nur eine Befürchtung.
Solange also der gewohnte Ressourcenstrom nicht bedroht ist, gibt es noch keinen Grund, den Organisationsgrad zu steigern. Konstante oder stationäre gesellschaftlichen Zustände sind aber seltener als man meinen sollte, da schon die hierarchiekonturierenden Tendenzen durch die Akkumulation der mehr oder weniger abstrahierten Werte für eine ständige Veränderung der Ströme sorgen. Diese Akkumulation, beginnend mit (oder bereits vor) den hydraulischen Kulturen, bedingt durch die erweiterten Lenkungsmöglichkeiten wiederum eine Beschleunigung der Ressourcenströme.
Trotzdem zeigt das Beispiel Alt-Ägyptens eine Konstanz des Organisationsgrades von erstaunlicher Dauer; es lehrt aber zugleich, daß nur ein beständiger Ressourcenstrom auch diese (kaum wachsende) Gesellschaft aufrechterhalten muß. Nur daß dieser Strom natürlich und nach ägyptisch-menschlichem Maß unerschöpflich war. Empirisch ist noch folgender Effekt zu konstatieren: Wenn die organisatorischen Anstrengungen mangels Norm, Innovation oder hierarchischer Steuerungsmöglichkeit erfolglos bleiben, beginnt der Abstieg und die Selbstreflexion einer Gesellschaft - meist in Form einer kulturellen Blüte.
II.b Organisationsgrad (fallend) –> Ressourcenstrom (>O –> R)
Bei konstanter Dichte bringt ein fallender Organisationsgrad ohne weiteres einen fallenden Ressourcenstrom. Technisches oder menschliches Versagen, Verweigerung, Streik, Mißmanagement, Krieg, Wissensverlust, Seuchen usw. führen zum Versiegen von Produktquellen. Betrachtet man den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft, so hat man eine Vielfalt von Wirkungen und Gegenwirkungen. Zunächst sind einfach die Fabriken verschwunden. Deren Verlust wurde durch Subventionen, Einfuhren und den Ausbau der Infrastruktur ersetzt. Dem fallenden OrgG auf Seiten der Produktion stand ein steigender auf Seiten von Information und Verkehr gegenüber. Die Warenmengen blieben etwa, die Verluste aus Umweltverbrauch sanken beträchtlich. Die Kontaminierung wurde aber vielfach nur an die jetzt weit entfernten Quellen verlagert.
Die bisher nur prognostizierten aber nicht eingetretenen Computerkatastrophen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine Unterbrechung der Informationsströme, also eine Absenkung des OrgG’s in diesem Bereich, die Bewegung der materiellen Ressourcen total blockieren würde. Ob Teileverwaltung, Bonitätsprüfung oder Transportlenkung ausfielen - nichts ginge mehr. Kein Fangnetz vorangegangener Organisationen würde den Absturz aufhalten. Beim Ausfall der Rechner gäbe es keinen Zettelkasten mehr, der dem Lageristen hilft; jegliche Entnahme wäre unmöglich, weil kein Lagerort mehr außerhalb des Computers festgehalten wird.
Die Kriegswirtschaft zeigt im Übrigen, daß ein Entzug von Arbeitskräften wenigstens zeitweise ausgeglichen werden kann durch Vermehrung von Zwang und Angst - wie in der russischen Friedenswirtschaft. Der dazu benötigte Zwangsapparat ist typisch für die Steigerung des Organisationsgrades, insofern nämlich als der Mehraufwand auf dem Fuße folgt und ziemlich bald den Ressourcenstrom abreißen läßt.
III.a Rstrom (steigend) --> Dichte
Der Eroberung oder Trockenlegung neuen Landes, einer technischen Innovation oder der Erschließung neuer Energiequellen folgt in der Regel die “Peuplierung” (F II). Die Erschließung der Kohle und des Öls hat weltweit einen beträchtlichen Bevölkerungsschub gebracht, so daß man sagen kann, auf längere und weitere Sicht sind Ressourcenstrom und absolute Dichte stark positiv korreliert.
Auf den höheren Ebenen der Ressourcenlenkungs-Hierarchie ist empirisch auch ein überproportionaler Anstieg des Verbrauchs pro Person festzustellen. Dieser liegt jedoch noch weit unter dem Strom, der von der Lenkungsvollmacht bestimmt wird, wen auch weit über dem, was ein Individuum der unteren Ebene verbraucht. D.h. die Millionen, die ein Konzernlenker für sich verbraucht (“verdient”) verschwinden immer noch gegen die Milliarden, die er lenkt. Hier wirken Lenkung und Steuerung mit der hierarchiebildenden Kraft zusammen, ja sie zeigen sich als identisch - die erste nur mit dem Gewicht auf der Funktion (nämlich der Steuerung) und die zweite auf dem Ergebnis, der Ungleichheit. M.a.W. die hierarchiebildenden Kräfte äußern sich in Form der Steuerung und zwar derart, daß die Ströme i.S. der Konzentration, d.h. i.S. der Ungleichheit gelenkt werden. Soll behaupten, daß mit steigendem Ressourcenstrom nicht nur die absolute Dichte zunimmt, sondern trotz aller Vermehrung des Reichtums auch die Armut.
Weltweit jedenfalls hat jede neue Erschließung, insbesondere die der Kohle und des Öls, einen beträchtlichen Bevölkerungsschub gebracht, so daß man sagen kann, auf längere und weitere Sicht sind Ressourcenstrom und absolute Dichte stark positiv korreliert.
III.b Rstrom (fallend) –> Dichte
Diese Relation ist zunächst ganz einfach: wo der Rstrom versiegt, geht die Dichte auf Null. Nur der Weg dahin enthält Unstetigkeiten und Imponderabilien. Der Mangel, der sich für die Individuen aus dem Versiegen ergibt, verteilt sich, wie zu erwarten, genau nach der Lenkungsvollmacht. Er greift zuerst nach Denendaunten und frißt sich ganz allmählich und erst nach beträchtlicher Verschärfung aufwärts. Bei Ebbe in den öffentlichen Kassen werden die Kindergärten geschlossen, während die Überversorgung der Éliten ungestört weiterläuft.
Mit fallendem Ressourcenstrom zerbrechen die Großbereiche, während in den Bruchstücken neue staatsunabhängige, d.h. mafiose Strukturen wachsen. Um die verbliebenen Ressourcen brechen Kämpfe aus, die jene entweder auch noch vernichten oder sie zentralisieren. Wieder wächst mit der Armut da unten der Reichtum da oben. Im Gefolge der Kämpfe sollte - so die Regel bisher - die Dichte abnehmen. Tatsächlich hat die fortwährende Erschließung neuer Quellen dies in den letzten beiden Jahrhunderten verhindert. Der Organisationsgrad konnte immer rechtzeitig nach oben getrieben werden, so daß der Strom auf anderem Wege kompensiert wurde. Das kurzfristige Risiko sind unter den (bisherigen) Umständen nicht mehr die Ressourcen selbst, sondern der Organisationsgrad: die Transportwege, der Geldwert, die politische Konstellation usw. Die Dichte wächst unbeirrt...
Normalerweise, d.h. empirisch bestätigt führt ein fallender RStrom ziemlich unmittelbar zu kriegerischen oder gesundheitlichen Dichteregelungen.
IV.a Dichte (steigend) –> Ressourcenstrom
Die Verdichtung allein bringt keine Beschleunigung des Ressourcenstromes; er läßt sich nur über den Organisationsgrad steigern. Wächst eine Bevölkerung bei stehendem OrgG, dann sind die zusätzlichen Kräfte nicht zu nutzen; im Gegenteil, sie behindern die Produktiven. Oder etwas differenzierter: bei kleinen Populationen kann eine wachsende Individuenzahl die arbeitenden Hände vermehren und dadurch linear den Ressourcenstrom steigern. Bei großen Populationen geht dies nicht, ohne daß jedes zusätzliche Individuum in das zu erweiternde Organisationsschema der Produktion eingeordnet wird. Wird das Raster nicht den zusätzlichen Individuen angepaßt, werden nur Überflüssige produziert, wie in den Megastädten der Entwicklungsländer und heute bereits bei uns.
Auch hier ist die Steigerung des Rstromes auf Grund der Verdichtung kein Kausalgesetz. Der Strom kann steigen, muß es aber nicht. Vielleicht sind die Fälle viel häufiger, in denen er der Dichte nicht gefolgt ist. Wo er es nicht tat, verschwand aber der Bereich, so daß immer eine positive Korrelation zu beobachten war.
Die Menschheit, aber noch weit mehr der Ressourcenstrom sind gegenwärtig weltweit derart angeschwollen, daß lebendige Ordnung in einem Maße vernichtet wurde und wird, wie es bisher nur durch die astronomischen oder geologischen Katastrophen der Erdgeschichte geschah. Zwar gibt es Statistiken, die eine Vermehrung der Biomasse suggerieren. Diese kann aber der Biosphäre nur gutgeschrieben werden, wenn man die Überlebensfähigkeit von Monokulturen voraussetzt. Indessen benötigen Monokulturen ein Maß an Wartung und künstlichem Ressourcenstrom, das dasjenige von technischen Einrichtungen erreicht. Die Abwägung aller theoretisch möglichen Zusammenhänge ist lehrreich, wird aber an der gegebenen empirischen und überaus starken positiven Korrelation von Dichte und Ressourcenstrom kaum etwas ändern.
Zwar gibt es glaubwürdige Untersuchungen, die die haus(- menschheits) gemachten Veränderungen (zB des Klimas) als gering im Vergleich zu den möglichen Natürlichen einschätzen. Das ist aber erstens kein Grund, den künstlichen Katastrophen ihren Lauf zu lassen und bedeutet zweitens eine Vervielfachung der Folgen der Natürlichen durch die bereits vorhandene Dichte. Man denke nur an die fehlenden Rückzugsgebiete beim Ansteigen des Meeresspiegels, beim Versteppen oder der Vergiftung des Landes und an die Konkurrenz unter den Bedrängten. Auch wo die Verdichtung nicht die Ursache von Umweltschäden ist, verstärkt sie deren Folgen. Einfach zu veranschaulichen an Hand des Domino-Effekts: wo die Steine zusammenstehen, findet er statt, wo sie weiter auseinanderstehen, hat er ein Ende. In verdichteten Populationen potenziert sich das Elend aus Naturkatastrophen, nicht nur weil sie mehr Menschen treffen, sondern weil die Vielen sich die Reste streitig machen und mörderisch aneinandergeraten.
noch IV.a D(steigend) –> R
Über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg verfolgt hat die Beziehung zwischen Dichte und Ressourcenstrom empirisch die stärkste positive Korrelation die sich denken läßt. Nach [Peter Borsch, "Anthropogene Umweltveräänderungen" Forschungszentrum Jülich, INFORM Anl. 5-37/93] hat der Energieverbrauch pro gewonnener Nahrungsmittel-Kalorie in den letzten 500 Jahren sich von 3:4 auf 1:50 entwickelt. Hier ist die Korrelation nicht nur stark positiv, sondern stark überproportional, da nicht nur jede Kalorie mit viel höherem Aufwand gewonnen wird, sondern etwa die zehn- oder hundertfache Menschenzahl ernährt werden muß und die Kalirien verbraucht. Da statt eines Beweises aber eine Begründung interessieren könnte, soll sie wenigstens versucht werden. Sie ergibt sich einfach aus dem Unterschied, der einem beim Vergleich von Abbildungen aus dem 15. Jahrhundert und der Gegenwart ins Auge fällt. Die Ausdehnung der Städte, der Durchsatz der Industriegiganten, der ununterbrochene Mahlstrom des Verkehrs, der gesamte materielle Ausdruck des Organisationsgrades, der erhalten, betrieben und bewegt werden will, verlangen allein für sich einen Strom, gegen den die leiblichen Bedürfnisse, die einst das Maß waren, verschwinden. D.h. der Organisationsgrad selbst, der zur Ingangsetzung der Ströme errichtet wurde, absorbiert diese.
Im Wesentlichen erzwingt eine der geschilderten Arten der Verdichtung ein zu steigerndes Ressourcenaufkommen. Die erste Einschränkung dieses Postulats ist jedoch unsere eigene Hoffnung, durch bestimmte Maßnahmen der Verschwendung entgegenzuwirken. Wenn wir beispielsweise den Müll trennen, erhöhen wir sowohl den inneren Organisationsgrad durch eine weitere Disziplinierung unserer selbst als auch den äußeren durch zusätzliche Einrichtungen der Deponierung und Verwertung. Aber: nicht nur, daß sich die Experten per Öko-Bilanzierung über den Effekt streiten, auch empirisch ist ohne Bevölkerungsrückgang nichts anderes festzustellen als ein ständig steigender Verbrauch. Vielleicht, und deswegen sollten wir nicht aufgeben, geschieht er etwas langsamer als zuvor.
Wir sagten, eine Zunahme der Bevölkerung bei festgehaltenen Ressourcen wirkt auf das Individuum genauso wie eine Abnahme der Ressourcen bei konstanter Dichte. Dann hätten wir möglicherweise die Aussage, daß eine Abnahme der Ressourcen eine Zunahme derselben zur Folge hat. Denn die Abnahme erzwingt infolge des psychischen Druckes, den sie auf das Individuum ausübt, eine Steigerung des Organisationsgrades, der jetzt wieder den Ressourcenstrom steigern kann. Damit wir also unterscheiden können, was eine Verdichtung bedeutet (nämlich eine Abnahme des Ressourcenstromes) und was sie bewirkt (nämlich evtl. eine Zunahme), halten wir bei dieser Untersuchung den Rstrom fest.
Wir sehen uns umgeben, eingesperrt und bewegt von Bauwerken und Maschinen, während auf den Tischen etwa dasselbe steht, was immer dort stand.
Nun steigert die Verdichtung nicht kausal den Organisationsgrad. Wir kennen die Situation in den schwarzen Löchern der Megastädte, die ohne jeden Fortschritt in der Infrastruktur vor sich hinwuchern. Die Verdichtung fordert also allenfalls eine Beschleunigung des Stromes, aber sie bewirkt sie nur, wenn sie ein bestimmtes Tempo einhält und wenn die Individuen innerlich und äußerlich so organisiert sind, daß sie die Beschleunigung leisten können und wollen. Damit ist zu unterscheiden zwischen Zwängen, die ungerichtet sind und Zwängen, die in eine Richtung wirken, Möglichkeiten,die sich “multidirektional” eröffnen und solche, die nur einen engen Kanal freigeben. Individuelles Wollen wird zunächst kollektiv kanalisiert und abgefälscht und erhält dann durch die Umstände weitere Richtungsänderungen, bis das Ergebnis nicht einmal von seinen Vätern identifiziert werden kann. D.h. steigende Dichte kann alles Mögliche bewirken an dichteregulierenden Ereignissen; am Ende muß aber immer ein verstärkter Ressourcenstrom stehen.
IV.b Dichte (fallend) --> Ressourcenstrom
Eine abnehmende Dichte kann den vorhandenen Organisationsgrad nicht mehr aufrechterhalten. Wo der äußere Druck fehlt, lassen die kollektiven Anstrengungen nach, wo einzelne Elemente ausfallen, sinkt wegen der Interdependenzen der gesamte OrgG. Damit stockt auch der Rstrom. Denselben Effekt hat die Verminderung von Überflüssigen. Zwar treibt nicht ihr unmittelbarer Bedarf den Strom; aber er treibt ihn über eine Umverteilung der abstrahierten Werte. M.a.W. die Hilfe für die Bedürftigen sorgt dafür, daß die Nützlinge nicht ihr Geld einfrieren, nicht akkumulieren können.
Da wir nicht untergehen wollen, ist es dann doch die Beschleunigung (“ohne Wachstum fällt die Wirtschaft”), mit der wir zunächst unser Überleben sichern und dann auf längere Sicht unser Ende herbeizwingen. Umgekehrt: eine Verdünnung - als Gegensatz zur Verdichtung - verlängert das Überleben der Menschheit; sie verkürzt aber ihr Wohlleben, weil sie im Sinken keinen Grund mehr findet. Der Organisationsgrad, der einer kleineren Population angemessen wäre, ist, wie bereits ausgeführt, nicht mehr vorhanden.
Wo allerdings der Organisationsgrad unter dem Ansturm einer unerwarteten Verdichtung zusammenzubrechen droht, da würde eine Verdünnung, zB in Form von Auswanderung eine Entlastung bringen und den vorhandenen Ressourcenstrom aufrechterhalten.
V.a Ressourcenstrom (steigend) –> Organisationsgrad
Wie kann der Ressourcenstrom zunehmen, wenn Organisationsgrad und Dichte festgehalten werden? Hauptsächlich wohl durch Änderungen des Umfeldes, die nicht gesellschaftlich bedingt sind. Das sind Ereignisse wie fallende Wasserspiegel im Sumpfgebiet, Regen in der Steppe, die Umkehr von Meeresströmungen oder die Entdeckung neuer Ölfelder. Eine Mittelstellung nehmen Innovationen ein. Entdeckt man die Eßbarkeit vorhandener Pflanzen, so ist der Organisationsgrad kaum tangiert - man hat einfach mehr Nahrung. Entdeckt man neue Konservierungstechniken, so sichert man den Ressourcenstrom allgemein, hat aber zuvor den Organisationsgrad gesteigert - also keine reine Ressourcenzunahme.
Reine Ressourcenzunahme bringen Hilfslieferungen. Hinter ihnen steht zwar der Organisationsgrad der Hochzivillisationen; im betroffenen Gebiet oder im betrachteten Bereich wird dieser aber nicht tangiert. Im Gegenteil, Hilfslieferungen zeigen am konsequentesten die Folgen einer (unabhängigen) Steigerung des Ressourcenstromes: eine Senkung des Organisationsgrades. Zuerst werden die mühseligsten Tätigkeiten eingestellt. Das strenge Regiment von Arbeitsorganisation, Vorratshaltung und Sparsamkeit wird aufgeweicht. Wo gebratene Tauben fliegen, dürfen Anstrengung und Ordnung nachlassen. Eine Hilfslieferung bedingt daher meist die nächste. Man versucht Hilfe durch Selbsthilfe zu geben, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Generell und zusammenfassend gilt aber, daß die Korrelation <R –> O negativ ist.
Auch eine positive Korrelation ist denkbar, aber nur für den Fall, daß das Weltbild den nötigen Schritt schon vollzogen hat. Eine Population, die die Anbaufläche vergrößern möchte, würde durch Entdeckung einer Quelle dazu instand gesetzt werden. Sie müßte nur ein Wissen über die Auswertung der Quelle erworben, also ein Bild der Zukunft verfügbar haben.
V.b Ressourcenstrom (fallend) –> Organisationsgrad
Ein fallender Ressourcenstrom erfordert die sofortige Steigerung des Organisationsgrades. Es müssen neue Quellen erschlossen oder die alten besser genutzt und sorgfältiger verteilt werden. Andernfalls setzt Verelendung und Hierarchie-Überkonturierung (“Mafiotisierung”) ein. Auch hier muß das Notwendige nicht eintreten - es geht nach Aufwand, Einsicht und Tatkraft. Will sagen ein innerer Organisationsgrad bestimmt über den Eintritt des äußeren.
Häufig war die militärische Ordnung am bequemsten herzustellen, so daß sich die “Erschließung” fremder Quellen am wirtschaftlichsten gestaltete. (...ja, ja, die Folgen waren schlimmer und die Kosten im Nachhinein auch, aber bei der Herstellung nicht anwesend!)
VI.a Organisationsgrad (steigend) –> Dichte
Bei dieser Version ist die Korrelation meist positiv. Historisch betrachtet ist der Steigerung von OG meist eine Verdichtung auf dem Fuße gefolgt. Mehr Ertrag durch Innovation und Erschließung, sparsamere Nutzung und sorgfältigere Verteilung erlaubten es, mehr Menschen zu ernähren, die dann auch nicht lange auf sich warten ließen. Der höhere OG eröffnete die Möglichkeit der Verdichtung, erzwang sie aber nicht. Man konnte mit seiner Hilfe sowohl mehr fördern, als auch mit weniger auskommen. Beides gibt Gelegenheit für Zuwachs, der fast immer erfolgt.
Unsere Hoffnung richtet sich aber darauf, die Korrelation umzukehren. Sehen wir nämlich die Gleichberechtigung der Frau, die Aufklärung über die Folgen der Verdichtung und gewisse zivilisatorische Fortschritte als eine Steigerung des Organisationsgrades, dann erwarten wir in deren Gefolge eine Entspannung in der Dichtefrage. Was allerdings die Senkung der Geburtenrate bei uns betrifft, ist sie eine Folge von Existenzangst, Erfolgsfixierung, Erfolgsabhängigkeit, Beschleunigung, zivilisatorischen Möglichkeiten, insbsondere ihrer Zwangsmittel und der produzierten Ungleichheit - also ebenfalls der Steigerungen des Organisationsgrades, allerdings des Inneren.
Aber weit entfernt davon, eine Entspannung zu bewirken, wird sie hier konterkariert durch Zuwanderung, u.a. verursacht durch die scharfe Kanalisierung (Hin-, genauer Herordnung zur Ersten Welt) der Quellen in der Dritten Welt (wiederum durch Steigerung von O). Die Korrelation O –> D ist also im Allgemeinen positiv, soll aber durch die Betonung der richtigen Momente umgekehrt werden. Man versucht wenigstens dort, wo die Verdichtung als Gedränge sichtbar wird, durch vorsichtige Industrialisierung, Demokratisierung etc. einen Stand zu erreichen, der es gestattet, die Bevölkerungsexplosion unter Kontrolle zu bringen.
Die gemeinsame Zunahme von O und D impliziert das Risiko des Zusammenbruchs. Zum einen durch das Schwinden der Ressourcen, zum zweiten durch den unerträglich werdenden O. Idealtypisches Beispiel zum ersten wäre die Bodenerschöpfung durch ständig intensivierten Anbau. Versucht man ihr entgegenzuwirken, so wird der Ressourcenstrom durch die Düngemittelproduktion weiter gesteigert. Das Risiko nimmt wieder zu. Aber halten wir R fest (was wir bei der Untersuchung von O –> D gegen alle Erfahrung tun müßten) und steigern nur O und D, dann bleibt auch das Risiko, diesmal als “Überorganisation”. Beispielsweise könnten die Großstädte der mittelamerikanischen Hochkulturen, deren plötzliches Verschwinden immer noch rätselhaft ist, jener Erscheinung zum Opfer gefallen sein. Die ständige Verdichtung, die immer genauer zu organisierende Ver- und Entsorgung, die Ausweitung des Zugriffs machten den Bereich derart anfällig für Seuchen, Wirtschaftskrise und Aufruhr, daß ein Kollaps kaum zu vermeiden war.
Damit wären wir bei der Beziehung
VI.b Organisationsgrad (abnehmend) –> Dichte
Die überlieferten Beispiele aus der Geschichte zeigen meist einen abrupt fallenden Organisationsgrad. Zerstörung der Infrastruktur durch Feinde, Verdichtung, Erschöpfung oder andere Katastrophen sind wegen ihrer Auffälligkeit ein häufig behandeltes Thema. Aber auch allmählich verlaufende Fälle gibt es. So ist der Verfall des Bildungssystems bei uns nicht sofort von Zusammenbrüchen begleitet. Die “repressionsfreie Erziehung”, die eigentlich Lieblosigkeit, Bequemlichkeit und Desinteresse zugleich war, zeigt ihre Folgen erst im Laufe des Generationenwechsels.
Da aber die Senkung des O stark auf es zurückwirkt, sich sozusagen selbst verstärkt, könnte man schreiben >O –> >>O mit der Bedeutung “sinkendes O bewirkt stark sinkendes O”. Schuld sind die hierarchisch aufgebauten Interdependenzen der Hochorganisation. Man führe sich nur die Folgen eines beliebigen Kabelbruchs, des Rostfraßes in der Traktorenstation, eines Lotsenstreiks, eines Führungswechsels / Königssturzes oder einer Unachtsamkeit im Umgang mit den abstrahierten Werten, nämlich der Notenpresse, vor Augen, um zu sehen, wie fragil das Kartenhaus “Ordnung der Gesellschaft” ist.
Nun folgt aber aus >O –> >>O nicht >>O –> >>D, d.h. der fallende Organisationsgrad zieht zunächst keine Entspannung in der Dichtefrage nach sich. Im Gegenteil, die absolute Dichte geht kaum zurück. Weder der Zusammenbruch der Sowjetunion, noch die Aidskatastophe in Afrika, ja nicht einmal der Zweite Weltkrieg haben in dieser Hinsicht eine Wirkung gezeigt. Statt dessen tritt eine Verelendung ein, deren Dauer sich danach richtet, wie schnell der alte oder ein höherer Organisationsgrad (wieder-) hergestellt oder übernommen werden kann. Erst wenn die Ordnung soweit durchsackt, daß es weder Zuständigkeiten noch Informationen, weder Essen noch Heizung oder Dächer über dem Kopf mehr gibt, fällt auch die Dichte schlagartig bis auf ein Maß hinab, das weit unter den bisher durchschrittenen liegt.
Gelöschtes (zu möglicher bzw. nachträglicher selektiver Verwendung):
Nur trägt der Weg dahin leider apokalyptische Züge, weil unter dem gegenwärtigen kein niederer Organisationsgrad als Haltepunkt mehr vorhanden ist. Ein Zusammenbruch würde analog dem Einsturz des WTC bis zum Keller durchschlagen. Daß auch die künstliche Dichteregelung fast so brutal ist oder sein muß (s. die Versuche in China) wie die natürliche mit Krieg, Hunger und Seuchen, macht die Entspannung fast unmöglich. Wenigstens der freiwillige Geburtenrückgang in einigen Ländern sollte als ein Geschenk und Juwel genutzt und gefördert werden. Er könnte einen “erhaltenden” Rückbau ermöglichen. (Allerdings ist dabei das Generationen- und Versorgungsproblem der alternden Vorgänger vor, s. “Generationenstreß” von Herwig Birg in der FAZ vom 2.4.04 und das Rentendesaster im Lande.)
Auf S. 13 wird die “Suffizienz-Strategie”, eine Art Genügsamkeitsstrategie gegen die Ungleichheit, diskutiert. Die Inhibitoren solcher Strategie werden im einzelnen angegeben. Stellen wir sie in den umfassenderen Zusammenhang unseres Dreiecks, dann sehen wir, daß innerhalb eines hohen Organisationsgrades kein niederer gehalten werden kann. M.a.W. Bescheidenheit muß, so unglaublich es klingt, subventioniert werden. Der Untermieter mit dem großen Bücherregal, der hoffentlich niemals Heiratsgelüste bekommt, braucht etliche Beihilfen. Werden sie eingestellt, muß er sich ein Auto anschaffen, damit er einen Job bekommt. Schon eine überlebensnotwendige Wohntemperatur für ihn kommt ökologisch auf das gleiche heraus wie täglich 100 km Autofahrt. D.h. er muß sich dem umgebenden Organisationsgrad anpassen, sofern er nicht (bei der absehbaren Einstellung der Subventionen) zu den Überflüssigen abgesenkt werden will. Auch da läßt es sich leben, aber angesichts der Dynamik der hierarchiebildenden Kräfte, sprich: der ungebremsten Produktion von Ungleichheit, muß vor “leben” ein “noch” eingefügt werden.
Schlimmer noch, wenn wirklich Bescheidenheit einzieht in unsere Gemüter, dann nimmt die Zahl der Überflüssigen zu, weil für die Herstellung von Broten nur wenige Menschen gebraucht werden. Yacht- und Uhrenmanufakturen entlassen ihr Leute. Im weiteren entfällt damit der Antrieb des Ressourcenstromes durch die abstrahierten Ressourcen, es kann schließlich auch kein Brot mehr bezahlt werden. Die Bäckerei wird wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt, womit der Verzicht auf den Luxus am Ende den Hunger zur Folge hat.
Auch sehe man sich den sog. Aussteiger an, der in einem Parforcelauf erst einmal 250.000 für Grundstück, Altersversorgung, Gesundheit usw. aufbringen muß, bevor er sich in ein kleines Naturrefugium zurückziehen kann. So bringt es, wie dort auf S. 12 ausgeführt, kaum etwas, am Anspruchsniveau anzusetzen. Der Autor sieht dabei vor allem das falsche Wollen am Werk; wir finden die organisatorische Einbindung wesentlich. So wesentlich, daß sie die von vielen favorisierte Erziehung zur Bescheidenheit zunichte machen kann. Wir führen das aus, z.B. im Abschnitt “Dichte - Organisationsgrad”.
Vor kurzem hatten die Entwicklungsländer noch das umsonst, was wir als eine Mischung von Wellness- und Abenteuerurlaub sehen würden (wenn auch ohne das obligatorische all-inclusive-Versicherungspaket). Industrialisierung und Entwicklung brachten ihnen nur die Verdichtung, d.h. für sie (bisher wenigstens) eine Art Zeitlupen-Vernichtungslager. Wie soll dies durch Wachstum oder Globalisierung geheilt werden?! Wie verwandelt man die Slumwüsten in Villen- und Büroviertel? Und was verwalten diese dann? Sollte man die Geburtenkontrolle nicht doch ernster betreiben als bisher?
Folgen wir der Annahme (S. 16), daß der Weg zu Wohlstand nur durch die Stadien der Industrialisierung führt, dann müßten die materiellen Ressourcenströme tatsächlich ein ökologisch unverträgliches Maß erreichen. Wo Bildung nicht so verachtet wird wie in Deutschland, kann sehr schnell ein höherer individueller und gesellschaftlicher Organisationsgrad erreicht werden. Nur liefe dann, ökologisch gesehen, die Verwaltung der Verwaltung auf denselben Verbrauch hinaus.
Zum Thema Handel wird zwar das Joghurtbecherbeispiel erwähnt, jedoch mit der Maßgabe, der Verkehr sei nicht maßgebend, eher die Verbrennung fossiler Rohstoffe, also das “Logistikproblem”. Gemeint ist das Logistikproblem, das auftaucht, wenn man im Streben nach Regionalisierung eine Produktwelt im Kleinen schafft und das man “unannehmbar teuer bezahlen muss durch die aus dem Realsozialismus wohlbekannten Abhängigkeiten industrieller Verbundstrukturen, welche dazu beitrugen, die flexible Anpassungsfähigkeit und Produktivität der Industrie zu ruinieren.”