Buch_4
5.0 Hierarchie und Ressourcen
5.1 Hierarchie und abstrahierte Ressourcen
(Geld, Aktien, Optionen...)
In diesem Kapitel sollen keine Theorien des Geldes ausgebreitet , sondern nur einige Aspekte betrachtet werden, die seine - des Geldes und der höher abstrahierten Ressourcen, wie die der Aktien und Derivate - Wechselwirkung mit dem Ressourcenstrom und ihre Verteilung über die Hierarchieebenen betreffen.
Es gibt bereits Autoren, die die Zeiten der Hierarchie für beendet erklären. Im einfachsten Fall verwechseln sie die Rituale des Vollzugs mit der Struktur und der Funktionsweise der Hierarchie. Sie meinen offenbar, wo die Ränge nicht mehr gekennzeichnet und die Befehle nicht mehr fußfällig entgegengenommen werden, gäbe es keine Hierarchie. Dabei wirkt Hierarchie auch ohne Rituale, ja ohne Anweisungen, allein durch das Wissen um die konzentrierten abstrahierten Ressourcen, also z.B. den Ort, den Besitzer des Geldes. Geld wirkt, ohne daß es erscheint. D.h. das Wissen um seinen Wert bestimmt und begründet die allgemeine Steuerungsfunktion; das Wissen um seinen vermeintlichen Ort bestimmt Art und Richtung der Steuerung. Auch ein herrenloses Konto sammelt Zinsen. Oder: Die Meinung der Gesteuerten darüber bestimmt unabhängig vom Wahrheitsgehalt ohne jede Anweisung die Richtung der Ressourcenströme.
Auch muß der Rang i. Allg. nicht an äußeren Merkmalen kenntlich gemacht werden und die Lenkungsvollmacht wirkt mehr auf die Schicht als auf die Person. D.h. nicht jeder muß bei X arbeiten, aber er muß arbeiten und zwar dort, wo er auf ein Äquivalent hoffen und die Stelle ausfüllen kann. Tatsächlich ist heute jeder Mensch in viele Stränge hierarchischer Organisation eingebunden, in er Kanalisierungen verschiedener Stärke und Richtung erfährt. (Abb. 4a)
Wir haben keine unterschiedliche Grußordnung für Cantors- und Hofcompositeursfrauen mehr und der Chef der Zentralbank kann seinen Handwerker nicht zum Abschluß eines Sparvertrages zwingen. So scheinen manche hierarchischen Einfluß- bzw. Steuermöglichkeiten der Menschen untereinander außer Kraft gesetzt. Indessen regelt die Verteilung des Geldes - allgemeiner: der abstrahierten Werte - mit eiserner Faust die Anordnung der Menschen in Schichten verschiedener Lenkungsvollmachten. Diese Vollmachten sind streng geregelt und bedeuten keine Freiheit. Ihre Träger sind trotz erheblicher Begünstigungen in ein Korsett von Steuerungsbedingungen gezwängt, die bei Strafe des Abstiegs von ihnen einzuhalten sind. Dazu gehört wohlgemerkt nicht etwa schlechte Arbeit, die weiter unten als Entlassungsgrund dient, sondern die Beschädigung der Kulissen, vor denen das Stück “Gerechtigkeit” aufgeführt wird.
Aber ihr Umfang (der Lenkungsvollmacht), d.h. die Menge an (kraft der Vollmacht) zu bewegenden Menschen und Ressourcen wächst mit jeder Hierarchiestufe. Wie unter 4.5 “Norm” ausgeführt, nehmen im Lauf der Menschheitsgeschichte die inneren Kanalisierungen zu und die äußeren Fesseln ab. Der Sklave trägt eine Kette, der Scheinselbständige weiß, was eer zu tun hat.
Hat man, wie angedeutet eine geometrische oder topologische Veranschaulichung der Geld- und Ressourcenströme vor Augen, dann muß man konsequenterweise die konkreten Ressourcen senkrecht zu den abstrahierten Erträgen fließen lassen. D.h. die Ressourcen fließen nicht nach “oben”, zB in das Bankhaus, sondern die Erträge in Form des Geldes tun es. Kabel, Komputer, Kekse, Kohl und Kohlen werden durch Fabriken und auf Transportwegen bewegt. Der eigentliche materielle Strom bleibt sozusagen unten und fließt dort in der Horizontalen. Er wird allerdings vom Geld oder dessen Besitzer getrieben und gelenkt.
5.1.1Die Ungleichverteilung des Geldes
als Voraussetzung seines Wertes
Man erkennt, daß der Wert des Geldes, aus dem die Steuerungsfähigkeit erwächst, eng an pyramidenförmige Zuordnung zu den Individuen der sie umfassenden Schichten gebunden ist. Die wenigen Individuen der oberen Schichten müssen das große Geld und die Vielen der unteren das kleine Geld haben, damit überhaupt eine Steuerung möglich ist. Wären nämlich alle Menschen Millionäre, würde das Geld keine Wirkung auf einzelne Personen oder Schichten ausüben, ja es würde seinen Charakter als Zahlungs- und damit als Steuerungsmittel verlieren. Man hört häufig als Grund für die große Inflation vor dem Krieg “es war zuviel Geld im Umlauf”. Wäre das richtig, dann müßte die Wirtschaft heute, nein, seit Jahrzehnten längst am Boden liegen. Wie oben bemerkt, übersteigt die Menge der abstrahierten Werte die sog. Warendecke um das füngzig- bis hundertfache. Nein, es war damals nicht zuviel Geld in Umlauf, es war zuviel Geld in der Hand Dererdaunten.
Das Geld gibt Alternativen, sein Mangel nimmt sie. Mit dem Aufstieg auf der Hierarchieleiter nehmen die Wahlmöglichkeiten zu, mit dem Abstieg schwinden sie. So werden Diedaunten in den Zwang gebracht, der den Ressourcenstrom aufrechterhält.
Wer nun davon ausgeht, daß es eine Ordnung gibt, in der jeder nach seinen Fähigkeiten sich einordnet, in der die Fähigkeiten dazu so verteilt sind, daß optimal besetzte Gruppen entstehen und in der alle (Schichten) die gleich Ansicht über das Notwendige haben - der würde auf die Steuerungswirkung des Geldes verzichten dürfen. Da aber kaum eine, geschweige denn alle Voraussetzungen dafür zugleich erfüllt sind, können wir den Zustand als Utopie qualifizieren. Die Versuche, Sozialismus genannt, die Utopie durch Kontrolle und Verwaltung zu realisieren, gelten als gescheitert. Sie sollten aber als temporäre Lösungen zum Krisenmanagement nicht ausgeschlossen werden. D.h. Sozialismus mag auf die Dauer zur Inganghaltung der Ressourcenströme nicht geeignet sein, aber vor dem Zusammenbruch kann er evtl. den Kapitalismus bewahren, vielleicht solange, bis dieser wieder Fahrt aufnimmt.
Auch wo dem Einzelnen keine Lenkungsvollmacht erteilt wird, muß eine größere Geldmenge angesammelt und unter Planungsvollmacht gestellt werden. D.h. auch dort wo z.B. keine kapitalistische Konzentration zugelassen wird, ist eine sozialistische nötig - sei es, um einen Staudamm, eine Erstausstattung oder, wenn die Steuerung durch das Geld allzu deutlich ihre Macht offenbart, einen lohnenden Betrug einzuleiten.
5.1.2 Die Schritte der Abstraktion von Werten
und ihre Wirkung auf das Wachstum
Dem immer noch nicht enthüllten
Geheimnis des Wachstumszwanges
ist vielleicht auf die Spur zu kommen, wenn man jetzt die Notwendigkeit der hierarchischen Verteilung mit den Flüssen, insbes. den Fließrichtungen und den Wandlungen der abstrahierten Werte kombiniert. Da Geld akkumuliert, Reichtum angesammelt wird, ist die Frage, wo das für den Ressourcenantrieb nötige neue Geld herkommt. Sicher, einiges wird gedruckt oder geprägt; der Umlauf wird vermehrt. Wegen der Gefahr des Verlustes von Wert und Steuerkraft ist diese Möglichkeit aber nur beschränkt nutzbar; die Notenpresse darf kaum eingesetzt werden. Der Weg zu mehr Geld führt daher über mehr Abstraktion.
Beginnend mit Schuldscheinen und Gutschriften gewinnen die Erwartungen der Werte statt ihrer selbst Gestalt. In der Aktie finden sie ihren konkreten Niederschlag. Wird eine Aktie kreiert und gekauft, dann wird das dafür ausgegebene Geld ja nicht verbrannt. Es ist noch da und die Aktie ebenfalls, d.h. zusätzlich. Natürlich haben sich Besitzverhältnisse geändert, aber der Gesamtbestand in der Volks- bzw. Weltwirtschaft hat zugenommen. Als Optionen und Derivate vervielfältigen die Werte sich nochmals um Größenordnungen. Mit ihnen erhalten die Erwartungen der Erwartungen schriftliche Form.
Zwischendurch sollte erwähnt werden, daß die praktische Ökonomie keinen Zweifel am Wachstumszwang kennt. Mangelndes Wachstum ist für sie der Untergang der Wirtschaft. Allerdings weigert sie sich, den so erkannten Zwang in einen größeren Zusammenhang einzubinden, ihm gar Gesetzesrang zuzubilligen. Man meint, seinen Geltungsbereich auf die nähere Gegenwart beschränken zu dürfen, vielleicht weil die Logik sonst kein Drittes zwischen Krise und Kollaps erlaubt.
Diesem Zuwachs der abstrahierten Werte entspricht zwar ein Zuwachs der Konkreta, aber keinesfalls in dem Maße, das die sog. Warendeckung gewährleisten würde. Die Ökonomen schätzen, daß die riskanten Abstrakta der internationalen Bankenwelt inzwischen das siebzig- bis zweihundertfache der Konkreta ausmachen.
Damit ergibt sich ein weiterer Wachstumszwang daraus, daß die Konkreta den Abstrakta, wenn auch in beträchtlichem Abstand, folgen müssen. Geldvermehrung ohne Ressourcenstrom, und sei es nur zum Erhalt der Vermehrer, ist nicht möglich. Der Ressourcenstrom steigt, weil ein Großteil hier in Gewinnen und da in Anlagen und Einrichtungen gefriert, deren Erhalt wiederum neue Ressourcen erfordert. Der Grundversorgungsstrom muß unterdes immer weiter fließen. Die hoch in der Produktpyramide angesiedelten “großen” Produkte entlasten nicht diesen Strom. Ein drittes Moment des Wachstumszwanges erscheint damit.
Empirisch zeigt sich darüber hinaus, daß das das bloße Bereithalten in Form zB der Lagerung, zu einem verbrauchsintensiven Vorgang wird. Schon der Übergang von der Höhle zur Scheune erforderte die Unterhaltung und Instandsetzung, die “maintenance” der letzteren. Aber erst die Kühlketten der Gegenwart zeigen unverblümt und frischwärts, daß innerhalb von Tagen die Lagerkosten den Warenwert übersteigen können. Ja, das einfache Liegen der Waren hat sich in ein Gefahrenwerden verwandelt. Wegen der Transportwege und der nötigen Verfügbarkeit wird die Ware nicht mehr in Lagern gehalten, sondern auf fahrenden Lastwagen, so daß ihr reines Vorhandensein von einem ständigen Energiestrom begleitet ist.
5.1.3 Die Notwendigkeit des Wachstums
ist ein volkswirtschaftlich kaum bestrittenes Phänomen, z.B. “Meyers Grosses Taschenlexikon” 1981, Bd. 23, S. 285: “...daß ohne Wachstum nicht einmal die Erhaltung der erreichten Lebensqualität, ... möglich sei.” Das heißt, vor dem Elend bewahrt uns, da das Wachstum nicht aufhören darf, nur ein unendlicher Ressourcenvorrat. Denn wie hoch auch immer der Organisationsgrad und der von ihm abhängige Ressourcenstrom ist, er muß weiterwachsen, um nicht zusammenzubrechen. Zwar wird immer wieder “qualitatives” Wachstum gepredigt und erhofft, doch zeigt die Erfahrung jeweils das Gegenteil.
Für die Individuen ist damit zugleich eine unendliche Organisierbarkeit, d.h. das Ertragen von Funktionalität gefordert. Trotz der existentiellen Bedeutung dieser Tatsache ist der Blick des allgemeinen Bewußtseins nur auf den wirtschaftlichen Aspekt gerichtet. Das Wachstum brauchen wir heute - über Stress und Reserven reden wir Sonntag - aber noch nicht an diesem. Die Endlichkeit der Ressourcen ist allgemein bekannt. Aber der Fortschrittsglaube, d.h. der Glaube an ein immer komfortableres Leben, an den unbegrenzten Ersatz von Natur durch Technik ist dermaßen verwurzelt, daß auch sein von jedermann geahntes Ende als vorläufig angesehen wird.
Das Wachstum der Weltbevölkerung ist dabei nur ein Moment des steigenden Verbrauchs. Viel gravierender ist die Verformung der Hierarchiepyramide im Sinne zunehmender Ungleichheit (d.h. der Aufstieg der Spitze und die gleichzeitige Verbreiterung der verarmten Basis).
Besonders an der Basis, jetzt über die Menschheit gerechnet, also in den armen Ländern, steigert sich das Mißverhältnis zwischen Dichte und Organisationsgrad. Damit greift man zu immer leichter erreichbaren, schneller schwindenden Ressourcen. Dies heißt letzten Endes, daß dort wo die Mittel fehlen oder der Organisationsgrad nicht erreicht ist, eine Pipeline eben durch Holzfeuer ersetzt werden muß. Da auch an nachhaltige Nutzung nicht zu denken ist, wird das Leben insgesamt aus solchen Regionen verdrängt. Wo der Organisationsgrad Kohle oder Uran nutzbar machen kann, dauert es etwas länger - aber auf Kosten der Nische, die irgendwann keine Deponierung mehr zuläßt. Genauer: in der Praxis gibt es keine Grenze der Deponierung und Kontaminierung. Nur kann die Konzentration des Unbekömmlichen soweit gehen, daß sie die Deponeure liquidiert.
Die Notwendigkeit des Wachstums impliziert auch, daß ein noch so vorsichtiger Rückbau nicht ohne Krisenfall möglich ist. Schon ein Stillstand vermehrt die Arbeitslosen und kumuliert das Kapital in den Holdings - vermehrt also die Ungleichheit. Ein Stillstand im Sozialismus zeigt ähnliche Verläufe, da dort schon der Organisationsgrad den schwindenden Ressourcen nicht folgen kann.
Obwohl ein Rückbau also genauso riskant ist wie das Wachstum, kann die Folgerung nicht sein, alles laufen zu lassen. Der Rückbau muß sorgfältig geplant und sofort begonnen werden. Sonst gilt das Gleichnis des Ballons: je größer wir ihn aufblasen, desto lauter wird er zerplatzen. Sein Fall wird mit jedem Säumnis tiefer.
Die hierarchiebildenden Kräfte, die damit verbundene Produktion von Ungleichheit, die Beschleunigung der Ressourcenströme und die Entstehung neuer Abstraktionsstufen der Werte hängen eng miteinander zusammen. Sie hängen nicht nur zusammen, sondern scheinen auch in dieselbe Richtung, nämlich auf das Wachstum hinzuwirken. So können zusätzliche Hierarchien durchaus einen Rationalisierungseffekt haben; da sie aber meist der Verdichtung entspringen, ist ihre Ursache schon ein Faktor des Wachstums. Das Gleiche gilt für vermehrte Ungleichheit, die den Aufwand für Sicherheit hochtreibt. Die Einführung zusätzlicher Abstraktionsstufen erfordert auch mehr Verwaltung, ist aber gleichzeitig das Ergebnis von mehr Verwaltbarem. Die Beschleunigung der Ströme erfordert schließlich vermehrte Kontrollen, genauere Führung und sorgfältigere Aufteilung. Natürlich immer mit neuen Behörden und zusätzlicher Versorgung.
Wieso sichert aber Wachstum den bloßen Erhalt? Oder: was schrumpft eigentlich, wenn das Wachstum aufhört? Der Bereich existiert, die Ressourcen fließen gleichmäßig, aber er entbehrt Wachstum - ihm fehlt etwas und er verliert... ja,was? Logische Antworten auf die Frage sind nur möglich, wenn man den Bereich aufteilt. Es muß Teile geben, die bei konstantem Strom mehr nehmen, weil andere entbehren. Es sind offenbar verschiedene Schichten der Hierarchie, die sich unterschiedlich am Wachstum beteiligen. Die unaufhaltsame Wandlung von Steuervollmachten in Privilegien nimmt ihren Lauf. Die Steuervollmacht gestattet die Aneignung von Ressourcen und die Akkumulation als Folge der Aneignung stärkt wieder die Vollmacht. Diese wachsende Vollmacht führt dazu, daß von einer gewissen Größe ab die Steuertätigkeit, sprich der Erwerb, eingestellt werden kann. Das Geld arbeitet für seinen Besitzer. Die Schwerkraft der konzentrierten Abstrakta setzt die Akkumulation gewissermaßen von allein fort.
Ein solcher Status der Abstrakta wird Privileg genannt. Das Privileg hindert natürlich niemanden, sich um weiteren Erwerb zu kümmern, es befreit ihn aber vom Zwang dazu. Dem, der sich weiter kümmert, beschert es einen starken Beschleuniger oder einen Hebel zu versteckten Schätzen - Brechts großen Löffel. Werte sammeln Werte und werden zu Privilegien; Privilegien sammeln Privilegien und konturieren die Hierarchie.
Das Wachstum gibt die Garantie dafür, daß überhaupt ein Ressourcenfluß stattfindet. Ohne Wachstum versiegt der Fluß in dem Moment, wo alle abstrahierten Werte oben angekommen sind. Druckt man jetzt einfach Geld, dann schwindet mit der Inflation die Steuerungsfähigkeit.
Damit ist es verboten, irgendwelche Werte nach unten zu befördern, ohne daß diese durch das Wachstum generiert worden sind. Eine Umverteilung, die Herstellung von Gerechtigkeit, nur durch Verschieben der Werte innerhalb der Pyramide ist nicht möglich, weil sie den gesamten Ressourcenfluß gefährdet. Sobald der Bedarf an der Basis gedeckt wird, werden Diedaunten in den Stand gesetzt, eine Güterabwägung zwischen den Vorteilen des Konsums und den Nachteilen der Arbeit zu treffen. Wohlfahrtsmodelle dieser Art haben sich schnell als bereichsschädigend erwiesen und sind nach kurzer Blüte verschwunden - wie zB das Schwedische. Die Verteilung der Werte, die in der Pyramidenförmigkeit das Wesen der Steuerung ausdrückt, trotzt jeder Gleichmacherei.
5.1.4Organisationsgrad und Ressourcenstrom,
Parallelen zur Evolution
Die Zwickmühle ist existentiell: ohne Wachstum verhungern Diedaunten - mit Wachstum wird die Welt zum Risiko und dann zur Deponie. Die Verkettung von Organisationsgrad und Ressourcenstrom ist nicht nur unmittelbar einsichtig - sie reicht bis in die Biologie zurück. Sofern man den erhaltenden Strom (s. 3.3 Reaktionen) im Auge hat, enthüllt sich der Zusammenhang als ein universelles Gesetz: Fische - in dieser Reihe von geringstem Organisationsgrad - können sich den Winter über einfrieren lassen, Reptilien überstehen die Nacht auf Sparflamme aber Säuger - der höchste Organisationsgrad - müssen ununterbrochen ihre Temperatur, d.h. den Ressourcenstrom aufrechterhalten.
Unternehmen wiederum brauchen nicht nur den Strom, sondern seine ständige Steigerung. Fehlendes Wachstum bringt schlechtes Rating, schlechtes Rating stoppt den Kapitalzufluß und fehlender Zufluß hindert die Erneuerung des Abgenutzten - es folgt der Verfall. Zivilisationen müssen Unsummen in die Infrastruktur stecken, um denjenigen Strom aufrechtzuerhalten, der sie nicht nur die Gegenwart überleben läßt, sondern auch die Einrichtungen für das notwendige Wachstum ermöglicht. Zu versorgen ist dann wieder das Gewachsene, welches seinerseits natürlich stärkeres Wachstum benötigt... das Wachstum des Wachstums.
5.2 Die Pyramide der Waren und Produktionsmittel
Analog zum Bild der Pyramide, das die Verteilung der Steuerungsmacht veranschaulicht, lassen auch Waren, Investitionsgüter, Produktionsmittel sich nach Wert, Preis, Größe, Verbrauch oder Output beim Funktionieren ordnen. So würde ein Ozeandampfer oder das Eisenbahnnetz einen oberen Rang einnehmen, während Brote oder Feuerzeuge unten angesiedelt wären. Man sieht, daß hier die Pyramide mit einer gewissen Notwendigkeit besteht, denn ihre Umkehrung - eine Gesellschaft, die monatlich zwei Brote und hunderttausende von Dampfern herstellt - ist unmöglich.
5.2.1 Die Ordnungsmacht des Nutzlosen
An der Spitze der Warenpyramide im alten Ägypten stand die Pharaonen-Pyramide höchstselbst. Sie war die teuerste Ware, das aufwendigste Produkt der Arbeit. Wert-, besser aufwandsmäßig war sie der Konzerthalle, dem Fußballstadion, der Bohrinsel, ja dem Eisenbahnnetz der Gegenwart vergleichbar. Alle erforderten sie einen hohen Organisationsgrad und waren dessen Ergebnis.
Die Pyramide, deren Wert als Kulminationspunkt aller technischen Fähigkeiten außer Frage steht, war auch ökonomisch gesehen keineswegs nur ein Steinhaufen. Sie strukturierte das Leben des Einzelnen und des Landes ebenso wie Disneyland, das Bahnnetz und die Bohrinsel es heute tun. Alles was auf ihre, der Pharaonen-Pyramide, Errichtung hin-organisiert war, organisierte und ordnete auch das Land. Obwohl sie nichts hervorbrachte und eher eine gewaltige Ressourcen-Senke als ein Produktionsmittel war, strukturierte sie das gesamte Wirtschaftsleben. Was in ihr nach unserem Verständnis verschwendet wurde, machte ihre organisierende Kraft bei der Kanalisierung und Bahnung der Ressourcen wieder wett. Das organisatorische Gerüst, das sie dem Land einzog, hielt den Ressourcenstrom in Bewegung, es gab ihm die Geschwindigkeit und Kraft, durch die sie selbst hervorgebracht wurde und mit der sie jeden nährte. Und mit all dem löste sie, gewissermaßen im Vorbeigehen, das höchst komplexe, aufwendige und verteufelte Problem der Verteilung. Nicht gerecht aber günstig.
Allein die Gleichrichtung durch Ähnlichkeit sorgte dafür, daß aus der Nahrungszuteilung kein Dauerstreit wurde. So kam der Steinmetz nicht auf die Idee, sich das Essen unstandesgemäß von Tänzerinnen verschönern zu lassen und daß der Ziehsklave jemals Fleisch zu seinen Rettichen geordert hätte, ist von keinem überliefert. Dies betraf die innere Ordnung; aber auch die äußere nach konzentrierten Eßplätzen gemäß der funktionalen Stufung ermöglichte die Anlieferung und Verteilung nach einem einfachen Schema. Die einmal für den Pyramidenbau eingerichtete Sammlung und Bevorratung gewährleistete nun natürlich auch die Versorgung der Gesamtheit.
Es geht hier um die Schwierigkeit, dem Normalverbraucher klar zu machen, daß ein Abstraktum wie “Ordnung”, das sich der (An-) Faßbarkeit entzieht, weit stärker wirken kann, als ein Werkzeug oder eine Waffe. Wenn wir unsere Erfahrungen bezüglich des Aufwandes für das Aufrechterhalten von Ordnung, hier zB für Lagerungsordnung (“retrieval”) gelten lassen, dann müssen wir zugeben, daß dieser Aufwand oft denjenigen für die Neuanschaffung eines Gesuchten übertrifft. Das, bezogen auf Registraturen, Informationsnetze, geregelte Zuständigkeiten usw. ist leicht einzusehen. Aber auch den Verbrauchs-Ressourcen werden die Wege geebnet und die Straßen gebaut. Die Planer der Pyramiden ordnen das Land so, daß die für ihre Zwecke erforderlichen Ressourcen gefördert werden und fließen können. In der so geordneten Umgebung kann nun mehr fließen als das Erforderliche - der Staat floriert. Damit erweisen sich Disneyland und Beamtenschaft bezüglich der Produktivität den Bergwerken, Schienennetzen und Kornfeldern als ebenbürtig. Jedenfalls solange sie noch nicht mehr Ressourcen verbrauchen als sie (be-) fördern.
Ordnung als Produktivkraft - diese Zumutung versteht nur, wer schon einmal mit einem winzigen Problem an einer großen Sache gescheitert ist. Wo ein Schlüssel, ein Stempel, ja ein blankes Blatt Papier fehlten, um einen Antrag zu stellen, da werden oft Millionen aus dem Fenster geworfen ohne daß ein Verantwortlicher zu finden ist. Andererseits: wo man Tage braucht, um den Aufenthaltsort eines Ersatzteils zu ermitteln, kann eine kleines Mehr an Organisation die verlorenen Millionen wieder einsparen. Obwohl das zweite Wort aller Lenker “Organisation” ist, haben sie Schwierigkeiten, das ganze Maß an versteckter Organisation zu würdigen, das in Sprache, Übung, Telefon, Arbeitsraum, Zuständigkeit, Notizpapier, Mülleimer, Codierung und anderen Selbstverständlichkeiten steckt.
Am schwersten haben es dabei diejenigen, die den Zusammenhang als erste durchschauen sollten. Wie bereits erwähnt, halten aber gerade sie, die wegen eines verschwundenen Hörsaalschlüssels eine ganze Universität chaotisieren können, die gleichmäßige Güterverteilung in der Welt für eine der leichtesten, nur vom guten Willen abhängigen Übungen. Man kann sie, diese Macht der “Ordnung an sich”, nicht überschätzen, wenn man verstehen will, warum eine ausgefeilte rein religiöse Staatsliturgie ganze Planungsbehörden ersetzt.
Man könnte, um dieses “Paradoxon der Produktivität” zu lösen, die unterschiedlichen Zwecke der Produkte geltend machen, ihre Stellung zur Metaphysik, ihre Aufgabe bei der Versorgung - aber bezogen auf den Ressourcenstrom gibt es (in frecher Überspitzung) keinen Unterschied zwischen produktiven und unproduktiven Einrichtungen. Und was die Zwecke anbetrifft, so werden diese bei weiterer Nachfrage relativiert. Vordergründig ist die Pharaonen-Pyramide ein metaphysischer Zweck und die Eisenbahn ein technisches Mittel. Aber für Lieferanten ist die Eisenbahn ein Zweck und für Priester ist die Pyramide ein Mittel und Werkzeug. Einfluß auf die Götter dient dem Ressourcenstrom genauso wie der Transport der Werktätigen zur Arbeit. Ohne daß die Priester es merkten, sorgte die Kanalisierung des Lebens, der Wirtschaft und Gesellschaft durch die Pyramide für vieles von dem, was sie von den Göttern erflehten. Natürlich auch wieder in Form einer Pyramide, diesmal zu ihrem Vorteil, dem des Einkommens.
Damit natürlich auch nicht im Dienste der Gerechtigkeit. Im Gegenteil, die geordnete Ungerechtigkeit war es ja, mit deren Hilfe die Steuerung und der Zwang ermöglicht wurden, die die Versorgung sicherten.
Nun könnte man sagen, die Pharaonen-Pyramide als ein Zweck wäre verzichtbar zugunsten der notwendigen Güter, die das Leben der Bevölkerung erleichterten. Statt der Schufterei mit den Steinblöcken könnten ein paar Hütten und viele Tonnen Hirse mehr produziert werden. Alle würden bequemer leben, nur der Pharao müßte ein wenig verzichten. Gerade das geschieht aber nie und nirgends. Es kann nicht geschehen, weil die Form der Waren-Pyramide erzwungen wird durch den Aufbau der Produktionsmittel, die Ordnung der Gesellschaft und den Bedarf der Verbraucher. Letztere erscheinen als Kräfte”, die die Pyramide - der nach Größe sortierten Waren - im Sinne gleichbleibender Verteilung festhalten.
Will sagen, die Pyramide der Waren kann nicht beliebig geformt sein; sie kann nie so aussehen, als würden nur Brote hergestellt um den Hunger der Armen zu stillen. Ebensowenig kann sie ausschließlich der Spaßgesellschaft huldigen, indem die Gesellschaft auf alles andere als auf Spaßbäder und Disneyländer verzichtet. Es geht dabei nicht um eine wie immer empfundene Notwendigkeit oder Nützlichkeit von Gütern, sondern es geht um die Gestalt der Warenpyramide, die es einfach (und einfach nachvollziehbar) nicht zuläßt, daß oben hundert Spaßbäder oder Kraftwerke stehen und unten eine Handvoll Brote. Mit gravierenden Folgen: wird auf die Produktion eines Luxusdampfers verzichtet, findet nicht etwa ein Ausgleich nach unten statt, indem es mehr Autos oder gar Brote gibt, sondern es wird im Gegenteil ein Stück schräg (parallel zu einer Fallinie) abgeschnitten, so daß die Pyramide nicht nur niedriger, sondern auch schmaler ist. Sie wird formtreu verkleinert.
Nach oben wirkt die Formkraft analog: wo die Pyramide breit, der Wohlstand also groß genug ist, wird die freie Spitze ausgefüllt. Für die Prairie-Indianer waren beispielsweise Kupferplatten ein mühsam zu erstellendes Produkt der Hochtechnologie. Eine Weiterverarbeitung der gesamten Produktion war auf Grund des erreichten Organisationsgrades noch nicht möglich oder nötig. Trotzdem wurde auf die Herstellung nicht verzichtet - die Platten wurden nachträglich durch Versenken im Wasser geopfert.
Wie im Sozialismus. Auch dort gibt es die Lenkungsbevollmächtigten und die ihnen gemäß ihrer Vollmacht, sprich Hierarchiestufe unterstellten Großeinheiten. Da dort die Normhüter das letzte Wort haben, geht auch die Verantwortung seltsame und lange Wege und verschwindet oft genug im schwarzen Loch der Kontrollhierarchie. Oder sie endet wenig sachdienlich aber immer noch einigermaßen ordnungserhaltend in den Straflagern. Die aleatorische Auswahl der Schuldigen wandelt Sachkunde in Furcht und Hoffnung, Intuition in Gehorsam. Eine Senkung des Organisationsgrades zwar, aber immerhin unter Aufrechterhaltung des Betriebes... nun ja, der Lenkbarkeit.
Der Aufwand für die Planung war sogar den beteiligten Akteuren unklar. Majakowski hat den Prozeß der Bürokratisierung auf individuelle Unzulänglichkeiten zurückgeführt. Indessen war die Steuerung mangels Allwissenheit nicht möglich. Schon Informationen über den Bedarf waren nur durch Zauberei zu erhalten. Den Mitgliedern des Apparates blieb garnichts anderes übrig als die Hierarchie zu pflegen. So konnte man wenigstens eine Anordnung weitergeben. Der Gehorsam manifestierte sich dann jedoch nicht in der Ausführung sondern in der Fertigmeldung.
Der effektivste Lenker der Gesellschaft und die härenste Zwangsjacke der Natur, die Hierarchie, formt also alles nach ihrem Bilde. Sie brachte Güter, Produktivkräfte und Menschen in die Pyramiden-/Spindelform und bestrafte alle Abweichungen davon. Sie machte Gerechtigkeit zur Utopie. Bisher hat jedes Gegenmittel versagt - ja, es hat dieses Mittel immer, um sich als solches zu konstituieren, bereits die Jacke gebraucht.
5.2.3 Möglicher Verzicht auf das Geld und
Steuerung durch Bedarf?
An dieser Stelle taucht wieder die Frage auf, ob denn das Geld, das derartige Kräfte in Form von Banken, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Betrugsdezernaten, Devisenkontrolleuren, Lohnbüros, Finanzverwaltungen, Spielhallen, Steuerberatern, Münzanstalten, Kassenterminals usw usw. bindet und verschleißt, nicht verzichtbar wäre. Die Frage kann analog zur sozialistischen nach dem Lebensrecht der Planungsbürokratie oder der antiken nach der Notwendigkeit der Pharaonen-Pyramide beantwortet werden: alle sorgen sie dafür, daß der Ressourcenstrom, mit und trotz allen seinen Leckagen und Überflutungen, längerfristig aufrechterhalten wird. Die hierarchische Verteilung der abstrahierten Werte bzw. der Lenkungsvollmachten durch irgendeine Ordnung zu erhalten, hat für den Ressourcenstrom leider dieselbe Bedeutung wie die Schwerkraft für den Lauf der Planeten. Die “Ordnung an sich” sorgt zwar nicht für eine gerechte Gesellschaft, aber sie schmiert die Ressourcenströme.
Der Verzicht auf Geld scheint vernünftig, wenn man bedenkt, welche Kräfte an seine Verwaltung gebunden sind. Nur wird die Sache widerständig, wenn der Müllsortierer seine überflüssig gewordenen Steuerberater, Patentanwälte und Finanzbeamte zur Arbeit einteilt. Sie werden nicht bei ihm anstehen, sondern bei ihrem Hausarzt wegen eines Attestes. Aber das ist das Wenigste. Viel destruktiver ist die Frage, wer den Bedarf ermittelt und meldet, wo dieser Bedarf gefunden wird und wer ihn zu befriedigen hat. Wird dieses Szenario ein- oder zweimal durchgespielt, erfolgt bereits die reumütige Rückkehr zur Steuerung durch das Geld.
Allein die Vorstellung, auf das Geld zu verzichten, kann kaum konsequent gedacht werden, so tief ist sein Gebrauch im Leben verankert. Vor allem muß man sich wiederholt klarmachen, daß es keinen Lohn und kein Maß mehr gibt; der Mensch, Bürger, Arbeiter, Verkäufer nimmt kein Geld und gibt kein Geld. Schon die Vorstellung ist kaum durchzuhalten, geschweige denn die Praxis: “Alle, die einen Einkaräter möchten oder alle die Blinddarmentzündung haben, bitte in eine Liste eintragen!”
Ohne Geld? Zunächst hätte man, durch die Befreiung vom Geld beispielsweise die völlig freie Berufswahl. Wenn dann aber alle Kraftfahrer, Müllsortierer, Tankreiniger und Verkäufer zu Parteisekretären, Museumspädagogen und Skilehrern geworden wären, hätte man merkliche Stockungen zu verzeichnen. Dabei ginge es nicht nur um die Verteilung des Personals, sondern auch um die Aufrechterhaltung der Disziplin bei den Nützlingen, d.h. um die Verteilung der Disziplin im Gesellschaftsverband.
Schon ein Terminversäumnis aus Menschlichkeit, eine unterbrechungsfreie Meditation oder eine unbedachte Ehrlichkeit können im Umfeld der Hochorganisation als Zeitverschwendung oder Fehltritt gelten und anschließend als destruktiver Mangel und brachialer Unfall enden. Von allem ein wenig, ein wenig Abweichung, ein wenig Säumnis, ein wenig Gleichheit statt Funktion, ein wenig Wohltat statt Ausbeutung, ein wenig Milde statt Recht, das jedoch überall, bedeutet mehr als Sand im Getriebe, bedeuten die allmähliche Isolierung aller Teile und schließlich den Verlust des organisatorischen Gerüstes. Die Vernunft endete im Irrsinn der Planungsbürokratie, die ganze Maschine bliebe stehen, wobei mit dem Überfluß, wie jede Krise bisher gelehrt hat, auch Brot und Wasser schwänden.
5.2.4 Die Beschleunigung
Über die Menschheitsentwicklung betrachtet, hat der Ressourcenstrom zugenommen und zwar immer stärker als die Zahl der Menschen. Man muß sagen, er hat sich potenziert und in gleichem Maße beschleunigt.
In welchem Maße nicht nur der Verbrauch, sondern auch die Menschen beschleunigt und getrieben werden, springt in die Augen, sobald man im Geiste einen Kral, eine Agrarfabrik, eine Kleinstadt wie Buxtehude, eine Metropole wie New York mit einer Monsterstadt wie Sao Paulo oder Bombay vergleicht. Zahlenwerke erübrigen sich hier. Die Beschleunigung wird verstärkt durch die Tendenz zur Produktion von Ungleichheit. Letztere ist so stark, daß sie einen Großteil der Menschen zu Überflüssigen macht und damit aus dem Rennen wirft. Die Zahl der Nützlinge vermindert sich dadurch und erhöht deren Streß.
5.2.5 Anonyme Steuerung
Die Pyramide der Abstraktion kann, wie auf der Abb 8 gezeigt, nach oben ergänzt werden: die Aktien setzen Geld in Bewegung, Optionen die Aktien und die höheren Finanzderivate Niedere. Ganz unten werden Menschen bewegt, die die materiellen Ressourcen treiben. (Bild 8, Dreieck der abstrahierten Werte) Niemand braucht dazu mehr den Einzelnen persönlich anzutreiben und zu zwingen. Es sind nicht nur die byzantinischen Unterwürfigkeitsrituale verschwunden, auch die gezielte persönliche Einwirkung auf den Untergebenen findet kaum noch statt. Die Ich-AG hat nicht dem bestimmten Chef zu dienen, aber sie hat sich auf jeden Fall irgendwo einzuordnen und hat irgendwo zu dienen, um zu überleben. Wo die funktionale Verbindung nicht gegeben ist, gibt es auch keinen Rang. Der Direktor eines fremden Unternehmens muß vom Individuum nicht gegrüßt werden. Der eigene nur, wenn er persönlich bekannt ist.
Folgebereitschaft besteht heute in Tributpflicht, erzwungen durch Alternativenschwund aus Verdichtung. Niemand kann sich mehr entziehen. Zwar steuert der Bedarf nicht mehr den Strom, aber er zwingt das Individuum ins Tretrad. Der Einzelne wird jeglicher Ressourcen nur teilhaftig, wenn er Steuerung anerkennt. Die Person, die einst die Steuerung repräsentierte und angebetet, als Bild getragen und / oder verflucht wurde, ist weit hinter den Schaltern und den schalldichten Türen der Banken verschwunden. Die Hierarchie ist so strikt wie je zuvor, sie ist nur nicht direkt, sondern indirekt. Und da die betroffenen Personen - nach oben und nach unten - nicht mehr direkt zuzuordnen sind, ist sie auch anonym.
Natürlich gibt es auch unten gewisse Alternativen, jedoch nur in dem Maße, das der Hierarchiestufe ihrer potentiellen Nutzer entspricht. Will sagen, der Fußsoldat kann nicht entscheiden, ob seine Armee den Rubikon überschreitet, aber er kann entscheiden, ob er den nächsthöheren Ebene einen Dienst erweist, (Beutestücke verehrt, Informationen überbringt) der seinen Aufstieg dorthin begünstigt. Wenn er legal tut, was ihm nützt, dann dient er meist der Hierarchie und stabilisiert sie. Ein illegaler Vorteil wird dagegen auf Kosten des Bereichs errungen. S. Buch_3, 4.7 Moral.
Kap. 6 zur Einfügung in Buch_4
und zwar hinter “Geld”
5.30 Die Selbstverstärkung der Hierarchie
oder die hierarchiebildenden Kräfte
5.3.1 Ist Hierarchie meßbar?
Zunächst sicher ebensowenig wie "Dreieckigkeit" oder "Form". Indessen kann sich jeder etwas unter "Striktheit hierarchischer Organisation" oder "Hierarchiesierungsgrad", also unter mehr oder weniger Hierarchie vorstellen. Er kann durchaus einen Kasernenhof von einer Reisegruppe unterscheiden und wird dies an Hand von Merkmalen tun, die den Hierarchiesierungsgrad kennzeichnen. Das Mehr oder Weniger kann sich in vier Merkmalen äußern:
1. In der Strenge und Effektivität des Informations- und Ressourcenflusses. Wie schnell und wie genau wird Information in Aktion umgesetzt? (zunehmend beispielsweise vom Briefmarkensammlerverein bis zur Mafia)
2. In der Form der Hierarchiepyramide, von eingeschnürt und hoch bis linear begrenzt und flach. Die hohen spitzen Gebilde erweisen sich empirisch als die effektiveren bezüglich der Lenkbarkeit. Mafia und Kirche stehen da als Beispiele gegen Kaninchenzüchter und Mitglieder einer Volkspartei. Abb. 7b
3. In der Zahl der Hierarchiestufen. Diese Größe kennt kein Maximum, sondern nur ein Optimum bezüglich der Wirksamkeit des Bereichs im Sinne seiner Ziele. Zu wenige Stufen (zu geringe “Kontrollspanne”) behindern Erreichbarkeit und Kontrolle einer großen Gemeinschaft. Zu viele Stufen machen den Bereich unhandlich. Bei Überschreitung des Optimums verbürokratisiert und altert er.
4. In der Stärke der Norm, sprich u. a. der Disziplinierung und der Folgebereitschaft.
Punkt 1. (Striktheit) erklärt sich selbst, daher zu 2.: (Form) Trägt man beispielsweise individuell verfügbare Ressourcen (Einkommen) vertikal über der Menge der Individuen auf, die über bestimmte Mengen der maßgebenden Ressource verfügen, so erhält man die bekannte pyramiden- oder birnenähnliche Form (Abb. 4a, 4c, 8). Eine hohe spitze Spindel enthält weniger Lenker im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitglieder, eine breitere enthält mehr Individuen, die am Entscheidungsprozeß beteiligt sind. Die ersten sind nach allgemeinem gegenwärtigen Verständnis “diktatorisch”, die zweiten “demokratisch” geführt. Untersuchungen über die Form der Hierarchiepyramide (der Menschheit) gibt es bezüglich des Lebensstandards. Wir nehmen sie als Bild für die Lenkungsvollmacht und verfolgen daran den möglichen Weg zu einer Quantifizierung von “Hierarchie”. D.h. wir wollen sehen, ob es ein Maß für mehr oder weniger Hierarchie gibt, weil dies letzten Endes etwas über die Ungleichheit in der Welt sagt.
5.3.2 Mögliche Meßgrößen für die (hierarchische) Stellung
von Bereichen / Nationen im Vergleich untereinander
Ständig wird versucht, die Meßgrößen zu verbessern, die einen Vergleich oder eine Rangung größerer Gemeinschaften nach Lebensqualität, Wohlergehen, Zukunftsfähigkeit o.Ä. gestatten. Schon im "Bericht über die menschliche Entwicklung 1994" (S. 18/19), herausgegeben von der deutschen Gesellschschaft für die Vereinten Nationen e.V., wird ein HDI (human development index), ein Index der menschlichen Entwicklung eingeführt. Er ersetzt die bisherige Größe des Bruttosozialprodukts BSP, die zu wenig über die Lebensqualität und Zukunftssicherung der betrachten Bereiche, in diesem Falle der Nationen aussagte. Der HDI berücksichtigt neben dem indiv. BSP auch weitere Faktoren, wie die Bildung und die Lebenserwartung. In den Faktor für die Bildung geht ein gewichtetes Mittel aus Dauer des Schulbesuchs und Grad der Alphabetisierung ein, in der Lebenserwartung sind per se Säuglingssterblichkeit und mittelbar Hygiene und bestimmte Ressourcen enthalten. Einkommen, Lebenserwartung und Ausbildungsstand lassen sich nun zu einem Wert zusammenfassen, der in etwa Auskunft über das gibt, was zwischen Lebensqualität, Wohlstand und Sicherheit von den Menschen angestrebt und von einigen in Besitz gehalten wird. Art und Größe der betrachteten Hierarchieebenen, also die Frage, ob es um Nationen im Volkerverband, um Klassen innerhalb der Nation oder um Management-Schichten innerhalb einer Firma geht, hängt nur ab vom Umfang der Bereiche, die in eine Mittelwertbestimmung einbezogen werden. Gesucht wird immer das Verhältnis von Größe zu Lenkungsvollmacht einer Ebene. Als Maß für die Lenkungsvollmacht nehmen wir das Einkommen.
Die hier genannten Meßgrößen sind weder fest noch allgemein anerkannt. Vor allem sind sie nicht auf das Kriterium der Ressourcenlenkung gerichtet. Im allgemeinen werden sie aber damit verbunden und geben auch bei kontroverser Einschätzung kein besonders abweichendes Ergebnis in dem Sinne, daß etwa die Armen in der Hierarchie der Ressourcenlenkung höher als die Reichen stünden oder daß die Lenker zahlreicher als die Gelenkten wären. Auch die verschiedenen Kennwerte bezüglich der Lebensqualität hängen mit der Ressourcenlenkung zusammen. Die Höhe des Einkommens beispielsweise gibt zunächst nur Auskunft über die privat lenkbaren Ressourcen, korreliert aber auch in der Regel mit den weit größeren beruflich Anvertrauten. D.h. wer selbst viel einnimmt, hat auch eine Stellung mit großer Lenkungsvollmacht.
Will man also den (im o.g. und ähnlichen Berichten angestellten) Betrachtungen über eine mögliche Größe für den Hierarchisierungsgrad folgen, dann müßte man eine diesbezügliche Vergleichbarkeit von Lebensstandard und Lenkungsvollmacht voraussetzen, was wir hiermit tun. Auf der Suche nach einem Zahlenwert geht auf jeden Fall ein Verhältnis zwischen Lenkern und Gelenkten ein, das sich in der Form der Hierarchiespindel äußert. Und diese hat am auffälligsten zu tun mit Ungleichheit.
5.3.3 Form und Formung der Hierarchiepyramide (-birne)
Trägt man diesen Wert über der Zahl der von ihm betroffenen Menschen auf, so erhält man wieder die typische Hierarchiepyramide. (genauer -birne, weil die Schlechtestgestellten, wie bei uns zB die Obdachlosen, im Allgemeinen noch nicht so zahlreich sind, wie die Schlechtgestellten, zB die Arbeitslosen. Dadurch bilden die Untersten keine breite Basis, sondern ähnlich den Obersten eine Spitze - jedoch zur Erde hin gerichtet und näher am Bauch der Spindel). Ob man die Individuen innerhalb der Städte, die Klassen innerhalb von Staaten oder die Staaten innerhalb der Völker betrachtet - das Bild bleibt ähnlich. So taucht die Frage auf, ob es Kräfte oder allgemeine Gesetze gibt, die für diese Form verantwortlich sind.
Offenbar gibt es diese, da seit dem Beginn jeglicher Überlieferung kein gesellschaftspolitisches Traktat verfaßt wurde, das nicht vergebens gegen sie polemisiert hätte. Alles in allem sind sie als “Ungerechtigkeit der Welt” bekannt geworden und meinen die Tatsache, daß dem gegeben wird der hat. Wir haben damit zunächst nur eine “Wohlstandspyramide”, die noch nichts mit der Lenkungsfunktion zu tun haben muß. Da diese jedoch eng mit der Verfügung über abstrahierte Ressourcen gekoppelt ist, ergibt sich durch deren Realisierung (z.B. dem Kauf einer Yacht) am Ende ein Strom, der irgendwo mit Schaufel, Säge oder Bohrgeschirr, mit CO2, Plutonium oder Filterstaub abgegolten werden muß. Geld wandelt sich in Arbeit, Ware, Abfall. Keinesfalls vollführt es einen Kreislauf wie etwa ein Strom in einem Supraleiter oder eine von der Vokabel “Wirtschaftskreislauf” suggerierte rückstandsfreie Warenbewegung.
Die Frage nach dem Maß an Hierarchisierung läßt sich demnach u.a. durch die Form jener Birne beantworten. Der Verein der Briefmarkensammler stellt, nach dem Einfluß seiner Mitglieder aufgetragen, ein flaches pfannkuchenförmiges Gebilde mit einer kleinen Erhebung in der Mitte (, bestehend aus dem Präsidenten, dem Kassierer und einigen ehrenamtlichen Helfern) dar. Der Hierarchisierungsgrad, hier zB als Verteilung der Lenkungsvollmacht aufgetragen, ist gering. Auch bei dringendstem Geldbedarf geht keiner für den Vorstand mit dem Sprenggürtel zur Bank. Die Mafia, die Armee, der Staat oder die Kirche erheben sich dagegen zu steilen Konstrukten mit hoher Spitze. Sie haben zahlreiche Ebenen, die striktester Steuerung unterliegen. Der Hierarchisierungsgrad dort würde zunächst als sehr hoch eingestuft werden.
Allerdings ist mit der Alterung der Bereiche ein Effekt verbunden, der zwar die Form der Hierarchiepyramide immer stärker konturiert, aber die Funktion oder Funktionalität des Bereiches schwächt. Es ist der allmähliche Ersatz der Steuerungsfunktion durch das Privileg, es ist ein Höherrücken des Spindelbauches, es sind Vollmachten ohne ihre gemeinnützige Wahrnehmung. Mit diesem Effekt werden die Verteiler zu Verbrauchern und die Lenker zu Lasten. Man nähert sich dem Zustand der Unregierbarkeit.
5.3.4 Der Gini-Koeffizient für Ungleichheit,
ein Maß für die Hierarchisierung und,
über die Menschheit genommen,
für die Globalisierung,
Es gab Zeiten in Deutschland, zu denen bestimmte Maße an Ungleichheit nicht so offen ans Tageslicht traten wie heute (auch wenn sie vielleicht schon existierten). Damals in der Nachkriegszeit bestand noch eine positive Korrelation zwischen guten Geschäften und Beschäftigung. Jedenfalls wäre in den frühen 60ern eine Schlagzeilenkombination wie die auf der Titelseite des Handelsblattes vom 7. / 8.3.97 nicht möglich gewesen: links stand “Dax im Höhenrausch” und rechts: “Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau”. Dies nur ein Beispiel von den zahllosen Fällen zunehmender Ungleichheit, die u.a. in [Hans-Peter Martin, Harald Schumann, "Die Globalisierungsfalle", 17. Aufl., Rowohlt 1997] der “Globalisierungsfalle” gesammelt sind. Obwohl also durchaus ein zwischenzeitlicher Verfall der abstrahierten Werte (beispielsweise in Form der Aktien) zu beobachten und ein gänzliches krisenhaftes Verschwinden derselben nicht auszuschließen ist, läßt sich im Lauf der modernen Globalisierung eine gewaltige Produktion von Ungleichheit beobachten. Im Gleichschritt wachsen Armut und die großen Vermögen.
Was aber ist Ungleichheit und wie läßt sie sich messen oder wenigstens mit anderen Fällen vergleichen? 1912 führte C. Gini ein “Konzentrationsmaß” ein, “das die Gleich- bzw. Ungleichverteilung von Merkmalsträgern ... in der personellen Einkommensverteilung angibt.” (Woll, Hg. “Wirtschaftslexikon”, 7. Aufl., R. Oldenbourg, S. 280). Die Ermittlung eines anschaulichen und einfachen Zahlenwertes für Ungleicheit, nämlich dieses Koeffizienten, wird angegeben unter “Lorenzkurve” (daselbst, S. 453). Auf der Abszisse wird aufgetragen der Prozentsatz einer Bevölkerung, der unter einer bestimten Einkommensgrenze liegt und auf der Ordinate der zugehörige Anteil dieser Personen am Volkseinkommen. Völlige Gleichverteilung würde dann durch eine Gerade mit der Steigung 1 dargestellt. Die praktisch immer vorhandene Ungleichverteilung drückt sich darin aus, daß die reale Kurve unter der Gleichverteilungsgeraden “hängt”. Die halbspindelförmige Fläche, die sie mit jener einschließt, bezogen auf das Gleichverteilungsdreieck (Abb. 7) ist dann der gesuchte Koeffizient. Bei extremer Ungleichheit (rot) ist er eins, bei extremer Gleichheit (grün) Null. Extreme Ungleichheit entspricht einer Hierarchiepyramide (besser -spindel, -birne) mit hoher dünner Spitze, extrem verbreiterter Basis und demzufolge stark eingeschnürter Mitte. Die Gini-Kurve hängt stark durch. Gänzliche Gleichheit wäre keine Pyramide (Spindel), sondern ein flaches Rechteck, ja ein waagerechter Strich, der entweder hoch (alle reich) oder tief (alle arm) liegt. Gini-Kurve ist eine Gerade mit 45 Grad Steigung.
Für unsere Zwecke genügt es, daß der Wert sich zwischen 0 und 1 bewegt. Der Gini-Koeffizient wird Null, wenn, wie erwähnt alle Mitglieder einer betrachteten Gemeinschaft dasselbe Einkommen haben und er wird Eins bei extremer Ungleichheit, zB in dem theoretischen Fall, daß einer alles und die Übrigen nichts erhalten. Je mehr der Wert sich also der Eins nähert, desto größer ist die Ungleichheit.
Von E. Wayne Nafziger werden in “Inequality in Africa” (Cambridge University Press) auf S. 17 einige Beispiele gegeben.
0.39in Kanada und USA
0.47 in Europa
0.43 in SO- und Süd-Asien sowie Japan
ohne China und den mittl. Osten
0.54 in Lateinamerika
0.61 im mittl. Osten und
0.56 in Afrika
und 0.64 für die Welt
“Globale Einkommensverteilung ist ungleicher als die in irgendeinem einzelnen Land, weil sich die Ungleichheit des auf die Person bezogenen Brutto-Nationaleinkommens zwischen den Ländern zu dem innerhalb der Länder addiert.” (Ebd. S. 17 mitte)
Der moderate Wert für Afrika wird allerdings, wie der Verfasser ausführt, stark nach oben korrigiert, wenn man berücksichtigt, daß es eine gewaltige Anzahl gleicher Niedrigsteinkommen gibt (die gleich sind, weil sie alle nichts haben; die Subsistenz, in der sie leben, kennt kein Geldeinkommen und damit keinen Meßwert.) und daß für die extrem hohen Einkommen der politischen Führungsschicht naturgemäß keine Angaben vorliegen.
In armen Ländern ist also die Ungleichheit größer als in reichen. Wohlgemerkt, nicht nur weil Diedaunten nichts haben, sondern auch weil die Reichen reicher sind als in den reichen Ländern.
5.3.5 Vom “Unterschied” zum Terror
Jedenfalls bestätigt sich der populäre Eindruck, daß in schlechten Zeiten die “Schmarotzer” und “Absahner” mit besonders hohen Einkommen partizipieren und daß dieser Effekt in sich verschlechternden Zeiten zunimmt. Damit korreliert das Bild einer unter Druck sich in der Mitte einschnürenden Hierarchiepyramide, das den “Verlust der Mitte” signalisiert und eine hoch aufsteigende Spitze, die (dann nicht die oberen Zehntausend, sondern) die oberen Zehn darstellt. Der Überfluß trennt sich von den Überflüssigen. Der Gini-Koeffizient, der den Grad der Einschnürung spiegelt, ist offenbar auch eine brauchbare Veranschaulichung hierarchiebildender Kräfte.
Der aktuelle Terrorismus belegt, daß gerade eine breite Verelendung der untersten Ebenen steile, gehärtete und hohe Spitzen hervorbringt. Die Effektivität solcher Hierarchie geht bis zur Verfügung über das Leben der Gesteuerten. Die Versorgung mag gebietsweise regelrecht zusammenbrechen - an der Spitze wird frei und energisch agiert. Irak und Afghanistan sind von der Ressourcensteuerung weitgehend ausgeschlossen, weshalb sich die hierarchische Macht im Terror entlädt. (...wenn wir als “Terror” die Form der Auseinandersetzung betrachten, die die Rituale der Kriegführung außer Acht läßt) “Gehärtet” sind seine Träger, weil sie die Korruption und die Inkompetenz vermissen lassen, die die normale Verwaltung charakterisieren. Ihr Weltbild ist extrem stabil. Mit der Verelendung des Umfeldes, ja mit seinem teilweisen Zusammenbruch, hauptsächlich durch Verdichtung, darf man keine Aufweichung terroristischer Strukturen erwarten. Das Gegenteil tritt ein: Eine breite Basis des Elends wirkt nicht gegen den Überfluß und nicht gegen die Macht, sondern treibt gem. Abb. 7x besonders enge aber hohe hierarchische Steuerzentren empor.
Der Terror braucht den hohen Organisationsgrad der etablierten Welt. Er partizipiert an ihm und nutzt seine Anfälligkeit. Was vor fünfhundert Jahren ganze Reiterheere verrichten mußten, schafft heute ein Steuerknüppel. Aber genährt wird er von der Verdichtung. Allem, was an Terrorbekämpfung und Friedensmissionen unternommen wird, fehlt der Boden, wenn man zugleich sehenden Auges die Bevölkerung in Palästina, Algerien oder Afghanistan sich innerhalb einer Generation verdoppeln läßt. Auch wenn im Umfeld etliche Zusammenbrüche stattfinden, wenn Bürgerkrieg, Hungersnöte und Seuchen ausbrechen, bilden sich innen Organisationen, die modernste technische Ausstattung mit idealer Steuerungsfähigkeit und brutalster Zielsetzung verbinden.
Was dort kurzfristig eintritt, gilt hierzulande auf die Dauer genauso, da der Ressourcenschwund dieselbe Wirkung hat wie die Bevölkerungsexplosion. Dieser Schwund macht sich nicht gleich durch physisch spürbaren Mangel bemerkbar, sondern er erschüttert den Organisationsgrad. Diese Erschütterungen heißen Krise und machen uns klar, welche Risiken unsere eigene Übervölkerung mit sich bringt: wir sind dermaßen im Wachstumszwang, daß schon ein Gleichmaß (“Impulse fehlen”), geschweige denn eine Entspannung (“Generationenkonflikt”) von Heulen und Zähneklappern begleitet ist.
5.3.6 Die Macht der Struktur
einmal bei der hierarchischen Funktion und zum zweiten bei der Konturierung
Im Kapitel über die Norm wird deren hierarchiebildende Kraft ausführlich dargestellt. Sie ist nicht nur konstituierender Bestandteil und Voraussetzung des Funktionierens der Hierarchie, sondern konturiert und verstärkt sie mit wachsender Striktheit. Es muß jedoch dem Eindruck entgegengewirkt werden, als würde sie - die psychische Einstellung der Menschen - allein oder hauptsächlich die enormen Produktivitäts- und Mißbrauchsmöglichkeiten der Hierarchie begründen. Es ist zwar bekannt, von welchen Begeisterungsstürmen der Beginn des I. Weltkrieges getragen wurde, aber fast unbekannt, mit welcher Ablehnung, ja mit welchem Entsetzen der deutschen Bevölkerung der Zweite begann. D.h. daß die Lenkungsfunktion, die inzwischen voll etablierte Hierarchie, sich gegen Meinung, Norm, Stimmung und Widerstand durchsetzt.
Was ist nun so mächtig, daß es sich sogar gegen die verbrei-tete Norm des Widerwillens behauptet? Es ist die Struktur der Hierarchie. Zu ihr gehört zwar ein Teil der Norm des Könnens und Verstehens, vor allem das Verständnis von Oben und Unten, jedenfalls alles, was in der Norm unabhängig ist von Zustimmungen oder Wünschen. Konsens über die Ziele, religiöse Grundeinstellungen, Gemeinschaftsgefühle usw gehören nicht zur Struktur und sind unabhängig von ihr. Genauer, sie sind zunächst notwendig zur Konstituierung der Hierarchie, verlieren aber mit ihrer (der Hierarchie) Verfestigung an Bedeutung. Sagen wir so: der Teil der Norm, der die Ziele beinhaltet, kann fehlen, aber die Eingebundenheit durch Können und Disziplinierung, durch die Befehlsstrukturen und die technische Ausrichtung der Informationsflüsse usw gewährleistet die Umsetzung von Information in Aktion.
Das Verständnis von Oben und Unten, die Anerkennung des Führers und die meisten Momente des Könnens sind schichtspezifisch und gehören deshalb zur Struktur. D.h. sie haben selber eine Struktur, die den hierarchischen Aufbau widerspiegelt.
Zur Struktur der Hierarchie gehört weiterhin das technische System aller Informations- und Ressourcenkanäle, die auf die Hierarchie hin konstruiert und implementiert worden sind. Der Weg von der Information zur Aktion geht immer von oben nach unten. Alle inneren Kanäle und alle baulichen Vorkehrungen sind darauf ausgerichtet.
5.3.7 Steuerung von unten?
Die Forderungen fließen nach unten, die Ressourcen(-erträge, immer abstrakter werdend) nach oben. Soll aber eine Forderung oder nur eine Verweigerung von unten durchgesetzt werden, so sind auch bei bereits implementierter Norm viele außerordentlich arbeitsintensive Voraussetzungen zu erfüllen:
1. Es muß ein “Sprecher” bzw. eine Koordinationsstelle zunächst nichtöffentlich, also konspirativ mit all den damit verbundenen Vorsichtsmaßnahmen installiert werden.
2. Auch bei stärkster Zustimmung ist die Auswahl der Koordinatoren, ihre Bestätigung und die Verbreitung der Forderungen und Anweisungen ein zeitaufwendiges und ständig von Verrat bedrohtes Geschäft. Die etablierte Hierarchie kann nicht verraten werden, weil sie offenkundig ist.
3. Während der oder die wenigen Herrschenden Gleichzeitigkeit aller Aktionen haben oder fast geschenkt bekommen, bedarf es zahlloser anfälliger Informationskanäle, um sie für die Masse im nötigen Zeitrahmen herzustellen. (S. die Okkupation des Telefonnetzes durch den polnischen Geheimdienst gegen die Solidarnosc, durch die letztere fast lahmgelegt wurde.)
4. Bleiben wir beim Beispiel der Horde, so sehen wir, daß die Vielen trotz der umfangreichen Vorbereitungen gegen den Einen mit diesen Vorbereitungen noch nichts bewirkt haben. Beim Schritt zur Tat befinden sie sich, ganz wie Passanten gegen einen Rowdy in einer Art Gefangenen- oder besser Unterdrücktendilemma. Wer anfängt, weiß nie, ob die anderen ihm beistehen. Sie alle müssen also entweder trainieren und exerzieren und darüber hinaus an einer Informationsquelle hängen oder der Druck muß ein Maß erreicht haben, das alle zugleich zum Handeln zwingt. Bis dahin ist keiner des anderen sicher und die ganze Masse nicht stärker als ihr stärkstes Glied. (Den Verrat berücksichtigt, muß es sogar heißen „... ihr schwächstes Glied.“) Das Dilemma in dieser Form ist eines der wirksamsten Momente der Hierarchiestützung.
5. Charisma und Tradierung konstituieren die Autorität, die dem Hordenführer ungestörten Zugriff auf den Schwächeren gewährt. Unter den Bedingungen größerer Gesellschaften macht sich die Ungleichgewichtigkeit besonders im Zugriff bemerkbar. Der Diktator als Lenker der Geheimpolizei hat sofortigen Zugriff auf jeden Bürger, der Bürger aber kaum auf den Diktator. Die dagegen notwendige Geheimhaltung zur Bildung gemeinschaftlicher Bewegung von unten behindert wiederum entscheidend die Kommunikation. So kann ein ganzes Volk wutschäumend protestieren wie in Belgien gegen die Kinderschänder, ohne die Oberen auch nur zu stören. Eine etablierte vielstufige Hierarchie ist praktisch von unten unangreifbar. Erst wenn der Widerstand so weit organisiert ist wie die bestehende Ordnung, hat er eine Chance.
6. Alle organisatorischen Strukturen sind im Sinne der Hierarchie ein- und ausgerichtet. Abgesehen von dem, was bereits verinnerlicht wurde, verhindert schon die technische Einrichtung, daß ein Befehl von unten nach oben fließen könnte. Information löst von Stufe zu Stufe stärkere Energien, die sie allmählich in Aktion verwandeln. Eins von vielen möglichen Beispielen ist das Megaphon: der Führer hat das Mikro, der Lautsprecher weist in die Masse und setzt diese in Bewegung. Will ein Element der Masse dies bewirken, muß es sich erst des Megaphons - gegen alle vorhandene Struktur (Treppen, Katheder, Gedränge, Wachen...) - bemächtigen und die Norm installieren oder wenigstens nutzen können, die dem Megaphon Wirkung gibt.
Noch deutlicher tritt die Einbahnstraße der Struktur zu Tage, wenn man sich vorstellt, wie ein Werkstück ohne Konstruktion, eine Konstruktion ohne Produktdesign, ein Produkt ohne Bedarf gefertigt werden soll. Alles Unmöglichkeiten, die erst Sinn bekommen, wenn der Vorgang in der Gegenrichtung, nämlich von oben nach unten angestoßen wird.
5.3.8 Das Böse / Gute
Von dem Elite-Gedanken der oft mit dem Hierarchiebegriff verbunden wird, bleibt kaum etwas übrig. Wenn jedenfalls die Struktur einmal “steht” und von außen nicht zu sehr bedroht ist, kann jeder in ihr die Spitze besetzen. Er muß kaum Qualifikation für die Bereichslenkung aufweisen; die Struktur sorgt für ihn, besorgt sein Geschäft. Sogar das fehlende Charisma stellt sich dann (in Form der “Sozialerotik”) von selbst ein. Wie bereits gezeigt, garantiert bereits die Stellung Gehör, Einfluß, Achtung etc. Man sagt, daß Charisma Führungsqualität verleiht; umgekehrt läßt Führung, wie viele Untersuchungen bestätigen, das Charisma leuchten.
Das Verkennen der strukturellen Zwänge, die unsichtbare Macht der Hierarchie “an sich” wird im Nachhinein “die Banalität des Bösen” genannt. Der Strukturverächter sieht die Dämonie am Werke. Häufig waren zwar menschliche Defekte zu diagnostizieren, aber entscheidend war und ist die hierarchische Stellung in der Struktur, eigentlich die Wechselwirkung zwischen Einstellung und Struktur. Die Stellung fördert das Bereichsdenken und die Abkehr vom Individuellen und damit vom Menschlichen. Die Abkehr stärkt wieder die Struktur, um abwärts das Verderben zu produzieren. Denn nur die hierarchische Steuerung macht aus den Defekten eine Massenerscheinung, macht zB aus der Blutrache einen Genozid. Defekte erleichtern die Auswüchse, müssen aber nicht mitgebracht werden - was die Hierarchie nicht schafft, übernimmt dann die zu ihr gehörige Gemeinsamkeit. Man bekämpft schließlich das Böse.
Auf der Ebene der Handlanger und Folterer bringt die Ausführung zwei Vorteile: erstens die Zufriedenheit der Lenker und zweitens einen Anteil am Lenkungsgeschäft durch die Hierarchiestufe der Wehrlosen, die unter der eigenen liegt.
6.1 Der Aufbau der Bereiche
Einige der eben erläuterten Begriffe und Zusammenhänge werden in diesem Kapitel bezüglich ihrer Anordnung untersucht. Dabei werden sie gewissermaßen von innen betrachtet, d.h. ihr Anteil an der Ausformung und der Konstruktion der Bereiche wird höher gewichtet.
6.1.1 Die Hierarchiebirne oder -spindel
Die Abb. 4c (Buch 1) zeigt eine Verteilung (von Ressourcen, Lenkungsvollmacht etc.), die es nahelegt, zumindest in den sog. entwickelten Ländern die Hierarchiepyramide durch eine Art Birnen- oder asymmetrische Spindelform zu ersetzen. (z.B. “Statusaufbau der Bevölkerung...”, K.M.Bolte: Deutsche Gesellschaft im Wandel, Opladen 1966) Gegenwärtig ist hier(zulande) die Verelendung in den untersten Ebenen noch keine Massenerscheinung. Nähmen wir die Obdachlosigkeit als unterste Stufe oder Ebene, so würde dort die Birne/Spindel sich erst beträchtlich, nämlich zur Pyramide verbreitern, wenn die Zahl der Obdachlosen auf einige Millionen anwüchse. Tatsächlich wird sie nach unten wieder zusammengeschnürt und läuft in einer Spitze aus.
Immerhin zeigt die BRD, wie im Inneren der Birne abzulesen, daß beim Absinken in der Weltwirtschafts-Hierarchiespindel eine Senkung des Maximums, d.h. eine Vermehrung der Schlechtergestellten mit gleichzeitiger Zunahme des Überflusses und der Lenkungsvollmacht in der obersten Etage erfolgt. Absolut schlagend ist in diesem Bezug Afghanistan: das ärmste Land des Kontinents hat in seinem Schoß die steilste Hierarchie betreffend Lenkbarkeit und Einfluß entwickelt. Die größte Terror AG hatte sich in Tora Bora festgesetzt. Nirgends können Menschen derart rücksichtslos und zielgerichtet verwendet werden wie dort. Mehr dazu in Kap. 6.0
6.1.2 Form und Funktion
Robert Michels [Robert Michels, "Parteiensoziologie", Kröner 1989] zitiert Giddings mit den Worten “The few always dominate”. Hieran ist ein gewisses Unverständnis von Funktionshierarchie abzulesen. Der Spruch müßte (leider etwas umständlicher) lauten: “For changing information to action, the lower levels must grow.” Die Aktionsebene muß größer sein als die Informationsebene, das ist alles. Oder: wer oben ist, dominiert, weil er oben ist, nicht notwendig weil er besser ist. Alle biologischen, technischen und gesellschaftlichen Systeme sind so eingerichtet, daß sie von der Informations- oder Steuerungsebene mit stufenweise ansteigender Größe zur Reaktionsebene weisen. Oder: daß geringe Energien (die in Kap. 3 besprochenen Vorzeichen) den Anlaß geben und die durch sie gelösten Makro-Energien (ansteigend über die zahlenmäßig anwachsenden Stufen die Wirkung hervorbringen.
Dies liegt, so darf man sagen, wieder in der Natur der Sache. Sofern ein Ereignis Vorzeichen hat, sind diese schwächer als es selbst. Andernfalls wären sie (von der einwirkenden Energiemenge aus beurteilt) die Sache selbst. Das Licht oder das Radarecho, das vom Eisberg kommt, transportiert weit weniger Energie als der Eisberg. Aber das Licht muß gedeutet werden (Kap. 3, “Die Filter”). Die Augen des Steuermanns oder andere Sensoren sind dann bezüglich des Energie- oder Personalaufwandes vernachlässigbar gegen die Steuer- oder gar Antriebskräfte, die zum Zwecke eines Ausweichmanövers zu aktivieren sind. Diese wieder sind es gegenüber den Energien des eigentlichen (hier zu vermeidenden) Ereignisses.
So korreliert der gewohnte Aufbau der Hierarchie-Ebenen positiv mit der Reihenfolge ihrer Aktivierung und negativ mit dem Maß an der dadurch freisetzbaren Energie. Die schwache Energie der Anweisung wird herabschreiten von der Information zur Aktion, von der Lenkungs- zur Ausführungsebene. Irgendwo in der Mitte nimmt sie mit Konstruktionszeichnung, Modellbau oder Steuerkraft auch einen mittleren Wert an und unten wird sie zum (Makro-) Antrieb oder zum Groß- oder Massen-Produkt. Der pyramidale Aufbau der Ebenen bewegungsfähiger Bereiche bezüglich freigesetzter Energie oder bewegter Masse ergibt sich aus dem Ablauf von Funktionen und die Funktionsweise orientiert sich an der Pyramide. Die Funktion ist die Steuerung und die Steuerung erfolgt mit geringer Energie - oben kleine Ebene - und wird verstärkt, um größere Wirkungen hervorzubringen - unten große Ebene. Das Ergebnis ist die Pyramiden-, Spindel-, Kegelform. Mit der Spindelform sind wir wieder näher an der Realität; wo sie sich unten verjüngt, haben wir Abfälle, Kollateralschäden, Verluste.
Auf S. 31 ebd. stellt Michels Betrachtungen über die mögliche Größe demokratischer Versammlungen und die selbstverwaltbare Zahl von Menschen an, wobei er eher das Führerprinzip als die Informationsströme wirken sieht. S. 416 ebd.: “...die Mehrzahl sich mit Wohlbehagen der Leitung überläßt.” Hier äußert sich zweifellos das starke emotionale Moment der Sicherheit durch Führerschaft, das mit der Akzeptanz der Norm verbunden ist. Im Zusammenwirken mit dem weberschen Charisma erfährt es auch eine beträchtliche Verstärkung. Das würde Michels bestätigen, ist aber wie ausgeführt, als Rangfrage nur ein Teil der Hierarchie. Hauptsache ist und bleibt die Steuerung.
Es gibt den scheinbar sinnlosen Spruch: “Oben ist oben”, der doch einiges über den Mechanismus von Hierarchie aussagt. Nimmt man nämlich das erste “oben” für die Bezeichnung der Ebene und das zweite für die Umstände, die diese stützen (Macht, Einfluß, bauliches und kommunikatives Environment), dann drückt sich darin, da die Person nicht vorkommt, das selbsterhaltende Moment des Status’ aus. D.h. gleichgültig, wie der Inhaber der Stellung beschaffen ist, aus seinem Oben wird so schnell kein Unten.
Hier soll im folgenden mehr Gewicht auf die funktionale Wirkung der hierarchischen Struktur (an sich) als auf das Lob der Lenker gelegt werden. Die von Michels angenommene numerische Begrenzung (ebd.) von lenkbaren Menschenmengen ist natürlich obsolet, wenn die mehrstufige Hierarchie wirkt. Diese Erfindung der Menschheit hat ja gerade den Schritt vom Stamm zum Reich ermöglicht. Und auch Napoleon konnte bereits 500.000 Mann nach seinem Willen bewegen, obwohl seine Stimme vielleicht gerade 10.000 von ihnen erreichte. Die Attraktivität des Führerprinzips macht gelegentlich blind für die funktionalen Strukturen.
6.1.3 Anm. zur Norm; Stabilisierung und Elastizität
Die Pyramidenform (genauer, wie gerade ausgeführt: die Birnen- oder Spindelform; wegen der Gebräuchlichkeit wird im folgenden meist weiter der Ausdruck Pyramide verwandt) wurde bereits im Kapitel 3.0 als eine funktionale Notwendigkeit der hierarchisch geordneten Bereiche entwickelt. Darüber hinaus gibt es aber in diesen Bereichen eine Art Arbeitsteilung der Lenker, die die zwei Hauptaufgaben der Hierarchie betrifft - erstens den Fluß von der Information zur Aktion und zweitens die Stabilisierung der Norm zu gewährleisten. Nicolis in [J. S. Nicolis, "Dynamics of Hierarchical Systems", Springer 1986], S. 183 drückt es so aus: “...es gibt Zustände, wo die Aktivitäten der Ebenen auf Optimierung der internen Regulation und Stabilität gerichtet sind. Auf der anderen Seite muß durch Kommunikation mit den höheren Ebenen des Partners (eines anderen Systems, mö), d.h. durch Lernen, die Anpassungsfähigkeit des Organismus erhalten werden.”
Damit ist eine dritte Aufgabe definiert, nämlich die Anpassung. Sie unterscheidet sich von der Reaktion dadurch, daß sie nicht die implementierte Funktion ablaufen läßt, sondern daß diese Funktion verändert wird. Die Umwelt übt nicht mehr die Reize aus, die zur Bildung der (jetzt veralteten) Funktionen geführt haben, sondern veränderte oder ganz andere. Der zu erhaltende Bereich / das Individuum darf jetzt nicht die implementierte Antwort geben, sondern muß eine neue lernen. So heißt zB die gelernte Reiz-Reaktions-Kette bei einem spezialisierten Fleischfresser Hunger - Jagd. Verschwindet aus irgend einem Grund das bisher bejagte Beutetier, dann kann die alte Kette nicht mehr mit Erfolg ablaufen, sondern es muß entweder eine neue Jagdtechnik gelernt werden oder gar die Wandlung zum Vegetarier erfolgen.
Die hier angesprochene Elastizität der Norm wird in Sozietäten, die unter Druck geraten sind, meist der Sicherheit, d.h. der Starrheit und dem Fundamentalismus geopfert. Damit stabilisieren die Normhüter durch Eliminierung von Wenn und Aber den Bereich nach innen und die Organisatoren ihn (zeitweise) nach außen.
Aber auch für die Gelenkten wird die Stabilisierung des Weltbildes eine brachiale Notwendigkeit. Das Unbekannte bleibt fremd, das Fremde wird feindlich. Wo zB Folter im Weltbild heimisch ist, wird sie zwar als unangenehm, aber doch als Bestätigung empfunden und dadurch entschärft. Dagegen ist Demokratie als Fremdkörper eine seelische Zumutung und stellt als unerfüllbare Forderung die wahre Folter dar.
Mit wachsendem Aufwand, durch polizeistaatliche Kontrolle etc. werden die geltenden Normen stabilisiert. Die Kosten der Stabilisierung steigen und zehren an den Reserven, bis der verbleibende Ressourcenstrom nicht mehr den Bereichserhalt gewährleisten kann. Die Einhaltung der Formalien wird zum Gradmesser der Treue. Kurz vor dem Kollaps bedeutet jede Abweichung Gefahr, eine “Wehrkraftzersetzung”. Bei weiterer Verdichtung erfolgt keine Anpassung mehr, sondern ein Bruch. Fazit: unter Druck geht die Elastizität des Weltbildes verloren, die eine Voraussetzung für jede Veränderung, zB das Lernen ist. Der Fundamentalismus macht lernunfähig aber handlungsbereit.
6.1.4 Komponenten des Charismas
gehören zum Aufbau der Bereiche, weil sie eine Stütze des hierarchischen Aufbaus, eine Stütze der Ordnung sind. Charisma ist nicht nur eine Eigenschaft der Person, sondern hat drei Komponenten, von denen meist zwei übersehen werden, weil sie im Inneren der Gelenkten liegen. Eine Eignung zum darstellenden Gewerbe mit dem entsprechenden Aufstiegswillen, ein starkes Ichbewußtsein, meist durch Persönlichkeit verursacht oder umgekehrt, muß bekanntlich vorhanden sein. Zum Terminus “Persönlichkeit” nehmen wir das Alltagsverständnis, also ein starkes Selbst- und Rangbewußtsein, das sich als Fähigkeit in den anderen spiegelt und das es erlaubt, eine Rolle gegen Widerstände durchzuhalten. Sie liegt in der Person des Lenkers.
Zweitens ist aber schon die geringste Führungsrolle, eine leicht erhöhte Stellung oder deren Vorspiegelung die Ursache für Ansehen und Verehrung. “Sozialerotik” ist nicht nur ein Witz. Man beobachte, wie die Begegnung mit Unscheinbaren zur Epiphanie eskaliert, sobald ihre hohe Stellung bekannt wird. D.h. die Stellung selbst ist, sobald sie errungen wird, ein Bestandteil des Charismas. Die Rolle nimmt zwar der Lenker ein, aber ihre Wirkung ergibt sich aus der Spiegelung im Gelenkten.
Der dritte und Hauptgrund für Charisma ist aber die Reindarstellung der Norm, wenn sie heimliche Wünsche erfüllt. Wer das Ende von Wenn und Aber verkündet, wer unter dem Druck der Verhältnisse nur irgendeine Änderung verspricht, wer die Tat von Bedenklichkeiten befreit, wer sie durch Vereinfachung (s. 5.4 “Der kleinste Nenner“) möglich macht, wer den Schuldigen identifiziert und den Guten das Böse erlaubt, der ist der Führer und Befreier. Die Sehnsucht nach Gewißheit und ihre Gemeinsamkeit als in den Geführten Voraussetzung jeder sozialen Bewegung verleiht dem Führer das Charisma und die Macht.
6.1.5 Normhüter, Normträger und Lenker
Oft kann der Führer sich aber auf eine bereits implantierte Norm verlassen und nur noch die Aufgaben der Lenkung übernehmen. Er ist dann der Apparatschik, dessen Typ durch Stalin verkörpert wurde. Er genoß das Charisma des Erhöhten und sah in ihm zu Recht eine Garantie für den Bereichserhalt. Die Norm modifizierte er nach hierarchischem Bedarf, weswegen mehrfach neue Auflagen der KP-Historie, ja der Sowjetenzyklopädie erschienen.
In der Kirche ist der Normhüter, sagen wir besser, das Kristallisationszentrum der Norm in Gestalt des Papstes weitgehend von den Organisatoren separiert. Der hierarchische Aufbau der Glaubensverwaltung hat nichts mit der Offenbarung zu tun, die Botschaft der Liebe nichts mit Feuer und Schwert der ecclesia triumphans. Wahrscheinlich ist dies der Grund dafür, daß der hierarchische Aufbau hier am frühesten und am deutlichsten seine Ausprägung und seinen Ausdruck gefunden hat. Die Norm der Offenbarung ist sowohl in der Lenkungshierarchie als auch an der Speerspitze, den Jesuiten oder der heiligen Hermandad und ähnlichen Schutzstaffeln, ausdrücklich der Norm des Gehorsams untergeordnet worden.
Am Beispiel des Gehorsams ist der Unterschied zwischen Normhüter und Normträger zu exemplifizieren: der Normhüter oder Propagandachef hat die Norm zu implementieren, zu verbreiten und zu stärken; der Normträger hat sich nach ihr zu richten, mehr, er soll sie verinnerlichen und nach ihren Vorgaben (re-)agieren. Besonders schön drückt der Moraltheologe seine Rolle als Normhüter aus: er ist der Wegweiser - aber der Wegweiser geht nicht selbst an den Ort, den er anzeigt. Der Normträger hat diesen Weg anzutreten; ihm muß die Forderung des Tages so erklärt werden, daß er sie als Erfüllung der Norm versteht. Der absolute Gehorsam geht einen Schritt weiter: er hat weder nach der Bereichsnorm noch nach dem Bereichserhalt zu fragen, sondern nur nach dem Strukturerhalt - der reinen Hierarchie. Die Frage ist natürlich, ob dann der absolute Gehorsam noch als normgerecht gelten kann. Aber dem Ausführenden wird ja nach der Tat immer ein Platz im Himmelreich, im Rittergut oder auf der Datscha freigehalten.
In der graphischen Darstellung (Bild 4b, Buch 3, ca. S. 61) sind gemeint die Differenzen zwischen Normdichte (Farbintensität) und Lenkungsvollmacht (reziproke Größe der konzentrischen Ringe). Der Ring der Lenker ist klein, der der Mitläufer größer und der der Gleichgültigen groß. Je dunkler die Farbe, desto stärker der Glaube, je kleiner der Ring, desto größer der Einfluß pro Person.
Hier ist die Kenntnis des Glaubens nicht mit seiner Stärke korreliert. Der Kenner wählt häufig die Umschulung statt des Martyriums. Da er aber mit seiner Kenntnis der Bereichslenkung von höherer Warte aus nützt, bekommt auch er die intensivere Färbung seines Ringes.
Zu beachten ist aber noch eine temporäre Normverdichtung, die zu unwiderstehlichen Bewegungen eskalieren kann. Offensichtlichster ihrer Ausdrücke ist die Panik oder eine mörderische Angriffswut; es gibt dabei auch die Selbstaufopferung ganzer Besatzungen, ja Völker, ohne Rücksicht auf eigenes Überleben. Ein spezieller “Volkscharakter” ist dabei nicht auszumachen - es geht mehr um einen aus Bedrängnis erwachsenen inneren Organisationsgrad, der sich nach längerer Einwirkung als eine radikale, normnahe und normalitätsferne Einstellung in den Individuen niederschlagen kann. Die Kräfte der Gleichrichtung (Gemeinsamkeitsverlangen, Bedrängnis, Nähe, Haß...) wirken in den Situationen extrem zusammen.
6.2 Entwicklungsgeschichte der Hierarchie
6.2.1 Hierarchie, Bereich und Person, Einstufigkeit
In diesem Kapitel ist nicht die Begriffsgeschichte, sondern das Nacheinander der Formen und Varianten von Hierarchie gemeint. Im Lauf der Menschheitsgeschichte haben sich Bereiche wachsender Größe gebildet. Die Neandertaler zogen in Gruppen von 7-10 Individuen durch ihr Gebiet, die sapientii umfaßten 20 bis 40 Ansässige und die Gartenbaukulturen bildeten neue Größenordnung aus, die den Übergang zu den Städten und Staaten markierten. Ihr Wachstum erfolgte in engem Gleichschritt mit der technischen Entwicklung sowie dem Grad der inneren und äußeren Organisation. Diese wiederum vergrößerte den Umfang der erreichbaren Ressourcenfelder. Die Organisation ermöglichte das Wachstum und das Wachstum forderte die Organisation. Ein Muster, das von der Erfindung der Mehrzelligkeit bis zur Staatenbildung gilt.
Deutlich wird das Bereichs- vom Individualverhalten getrennt. Das heißt nicht nur, daß ein Bereich sich anders bewegt als ein Individuum, sondern auch, daß das Individuum sich als Teil eines Bereichs anders bewegt als es das allein tut. Der Unterschied bezüglich der Bewegungs-, Verhaltensweise setzt sich fort über die Stufen der Pyramide derart, daß jemand sich als Familienmitglied anders verhält als allein, daß er als Staatsbürger anders reagiert als als Vereinsmitglied usw. Hier zählen die Teilbereiche, die sich nach dem Muster des Enthaltenseins zu immer größeren Einheiten zusammenschließen und das Verhalten gemäß der Zugehörigkeit des Individuums bestimmen. Ein Individuum gehört naturgemäß zu mehreren Teilbereichen, also zB zu Familie und Stamm, woraus sich Konflikte und Tragödien ergeben können.
Nehmen wir an, daß "Bereich" durch eine Norm (zB Sprache) und eine Hierarchie (Staat mit Pharao und Beamten, Horde mit Führer), sowie durch Funktionen und Schichten definiert wird, dann taucht die Frage auf, wo sich das Interesse, der Wille, die Emotion des Bereichs finden. Worin kann man beispielsweise in einem frühen Stadium des Denkens, in dem alles der Personifizierung unterliegt, Bereichseigenschaften abstrahieren und den Bereichen zusprechen? Die Antwort wäre: "Im König, im Führer, im zuständigen Gott..." usw, also in der Spitze der Hierarchiefigur.
An Hand seiner Forschungen auf den Fidschi-Inseln weist Sahlins nach, daß dort die Bereichsinteressen und das Bereichsverhalten auf extreme Weise in der Person des Königs konzentriert sind. Sogar alle individuellen Tätigkeiten ("Wenn ich esse..., wenn ich trinke..., ist es der König...", [“Inseln der Geschichte", Marshall Sahlins, Junius 1992 ] S. 50) geschehen "in ihm". Die einstufige Hierarchie zeigt sich hier wie im Tierreich nicht nur als funktionale Lenkungskonstruktion, sondern ist im Weltbild zutiefst verabsolutiert und hypostasiert worden. Sie widersteht jeder Rationalisierung; sie kann nicht einmal auf charismatische Herrschaft zurückgeführt werden, da sie oft erblich war.
Die starke Personalisierung der Hierarchie, wie Sahlins sie schildert, ist ein Kennzeichen, eine funktionale Notwendigkeit der einstufigen Hierarchie. Die Ausrichtung auf den Führer kann, wenn sie stark genug ist, den gemeinsamen Glauben ersetzen. Erstaunlicherweise schießt das Maß an realer Hierarchie immer noch weit über das hinaus, was ihr hier an Bedeutung zugemessen wird. Die eisernen Abhängigkeiten, die Rituale sind sowohl im Tierreich als auch unter Menschen schon im Stadium der Einstufigkeit weit umfangreicher und strenger, als die Funktion es erfordern würde. Erst die Moderne hat die Formalien, die zB den Befehlsempfang begleiteten minimiert, was irrtümlich als ein Verschwinden der Hierarchie interpretiert wurde.
Zweifellos gab es damals auch Unterhäuptlinge, Unterhändler, Ältestenräte und Beauftragte, aber ihr Mandat war befristet und beruhte auf der mehr oder weniger sichtbaren/spürbaren Gegenwart des Königs. Erst bei einer Größe, die die persönliche Einwirkung ausschloß, mußten solche Abstrakta wie Auftrag, Mandat, Vertretung etc. permanent die Rolle der abwesenden Person übernehmen. Hier geschah der Quantensprung zur etablierten Mehrstufigkeit - eine im Tierreich unbekannte Qualität.
4.8.2 Die Einführung der mehrstufigen Hierarchie
4.8.2.1 Einstufige Hiearchie, Personalisierung
Sieht man sich traditionale Kulturen an, so findet man fast überall diese stark personalisierte einstufige Hierarchie, kombiniert mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Hackordnung unterhalb des Häuptlings. Dasselbe ergibt die Beobachtung von Affenfelsen, Löwenrudeln und Hühnerhöfen. Unabhängig vom intellektuellen Stand der Individuen zeigt sich die Organisation von Rudel, Herde, Horde und Stamm.
Die Tendenz der Personalisierung hat sich bis in die Gegenwart erhalten. Der Führer, der Künstler, der Sportler steht heute für die ganze Nation, die offenbar noch immer das stärkste WIR bildet. Verkörpert er gleichzeitig die Norm, kann er nicht nur lenken, sondern auch treiben. Er kann die Energie der Emotionen sowohl lösen als auch in die richtigen Kanäle leiten.
Zwar sind fast hierarchiefreie Gesellschaften bekanntgeworden, jedoch wegen ihrer Seltenheit mehr als Wunder bestaunt. Die Beobachtung zeigt, daß sie sich nur dort erhalten, wo die als notwendig erachteten Ressourcen ohne Mühe erreichbar sind. Häufig sind bei ihnen unblutige Maßnahmen der Geburtenkontrolle in Gebrauch. Ihr Individuenzahl überschreitet kaum das Dutzend.
Wenn es eine Kraft gab, die imstande war, diese archetypische und gewaltige Personengebundenheit der Hierarchie zu brechen, dann war es die Einführung der Mehrstufigkeit. Diese war das notwendige Ergebnis des Wachstums der Bereiche und der damit verbundenen Teilung und Spezialisierung. Der Bereich war nicht mehr zu überblicken. Sollte er steuerbar bleiben, mußte schon aus Gründen der Kommunikation, der schlichten Erreichbarkeit, eine Ebene mit mehreren Beauftragten eingezogen werden. Man hatte nicht mehr dem Ruf des Häuptlings selbst zu gehorchen, sondern seinen Beauftragten und Beamteten, dem Feldwebel, dem Domänenverwalter, dem Lehrer, dem Priester...
Schon die einstufige Hierarchie erfordert vom Hordenführer eine Abkühlung des Persönlichen. Er kann nicht seine individuellen Vorlieben verfolgen, wenn es um die Horde geht. Eine Elefantenherde muß die Jungen aufgeben, wenn die Wasserstelle mit ihnen nicht mehr erreicht wird. Jane Goodall konnte mit den Gorillaweibchen Kontakt, ja Körperkontakt aufnehmen, während vom Männchen allenfalls eine mißtrauische Duldung zu erreichen war. Mit dem Aufstieg mußten die aufs Individuelle gerichteten Emotionen abgetötet werden. Oder: die Abtötung derselben war Voraussetzung für den Aufstieg.
Daß die etablierte Macht ihren individuelle Vorlieben nachgehen kann, hat nichts mit der Lenkung von Bereichen zu tun. Die Macht über den Einzelnen ist ein Abfallprodukt der Lenkungsvollmacht. Diese hat alle Individuen als eine Einheit zu sehen und kann von Glück sagen, wenn die Durchschnittsintention in etwa der vorgegebenen Richtung entspricht. Den divergierenden Bestrebungen aller Individuen gerecht zu werden, bedeutet das Ende der Lenkung. Noch härter muß gegen gleichgerichtete individuelle und menschlich verständliche Bedürfnisse vorgegangen werden, wenn sie das Bereichinteresse verletzen. Unter demokratischen Verhältnissen ist es nötig, daß ein Lenker sich zunächst als Träger höchsten menschlichen Verständnisses zu präsentieren hat, um es nach Übertragung der Vollmacht sofort zu vergessen. Doch muß diesem funktionalen Erfordernis entgegen der überlieferten Personalisierung noch heute geopfert werden. Der Politiker, der sich gerade von allen Resten der Liebe, des Hasses, von Mitleid und Sadismus gereinigt hat, ist verpflichtet in Wahlzeiten Kinderköpfe zu streicheln und Betroffenheit zu exerzieren.
Eine weitere Bivalenz tritt dem Politiker oder Führer in Form der hierarchiebildenden Kräfte entgegen. Er steht immer vor der Frage, ob er den Privilegierten und den Privilegien, den Kräften des Marktes usw. (wie Helmut Kohl) freie Hand lassen oder ob er im Angesicht der Mißstände die Sisyphusarbeit des Reformators auf sich nehmen soll.
4.8.2.2Disposition zur Mehrstufigkeit
Eine innere Disposition für die Eignung zur Mehrstufigkeit wird schon den Wölfen und Schimpansen zugesprochen. (Tomlinson, Blumberg, Rhodes: “How is an Agent Like a Wolf?: Dominance and Submission in Multi-Agent Systems”, The Media Lab, MIT, Cambridge, MA 02139 USA) Obwohl in der genannten Arbeit nicht ganz klar zu sein scheint, was Mehrstufigkeit bei der Wandlung von Information in Aktion bedeutet, sind doch die möglichen Vorstufen behandelt. So wird die Bildung von sub-groups angesprochen. Diese konstituieren sich zwar als eine Einheit, integrieren sich aber nicht als neue Hierarchiestufe. Sie können weder vorhandene Gruppen zusammenfassen noch sich in eine von ihnen (und ihren Steuermechanismus) einordnen - sie wollen nur die alte Führung ersetzen. Trotzdem sind die Dominanzverkettungen bei den Wölfen und die temporären Allianzen der Primaten wichtige Vorstufen, weil sie das Modell der Mehrfach-Schichtung in den Individuen implementieren, ja voraussetzen. Nach den Autoren muß jedes Individuum ein Modell der Beziehungen zu seinen möglichen und maßgebenden Nachbarn verinnerlicht haben. Nach oben Gehorsam, Vertrauen, Angst... nach unten Macht, Sadismus, Fürsorge, und in der Horizontalen, also zu den Nebenleuten vor allem Gemeinsamkeit.
Ein heranwachsender Wolf eignet sich so einen Vorrat an Verhaltensweisen an, die dann zwecks Interaktion mit den Mitgliedern des Rudels zu seiner Verfügung und Erprobung bereitstehen. Die Möglichkeit, diese Mittel je nach Gegenpart und Situation zu variieren, gewährleistet die Adaptabilität des Ganzen. Die Verfestigung von Rängen (“ability to develop dominance hierarchy”), wozu in der menschlichen Gesellschaft z.B. das Privileg (als solches) gehört, vermeidet ständige Rangkämpfe, beschleunigt Entscheidungen (“streamlined interactions”) und gewährleistet damit die Anpassungsfähigkeit, die Elastizität des Bereichs. Von der ausgebildeten Mehrstufigkeit ist sie aber streng zu unterscheiden, da es in diesen Stadien keine Unterbereiche mit übertragener Lenkungsvollmacht gibt.
Die Hackordnung als Quelle (Vorstufe der Vorstufe) dieser Entwicklung springt ins Auge, wird aber nicht erwähnt.
4.8.2.3Kommunikation und Koordination
Schon die Figur des Beauftragten erfordert ein hohes Abstraktionsvermögen der Auftragnehmer und ein Signalsystem, das über angeborene und “einstufig” eingeübte Verhaltensmuster hinausreicht. Der Beauftragte muß eine Anweisung nicht nur verstehen, sondern sie in ausführbare Schritte übersetzen und in Abwesenheit des Herrschers so weitergeben, daß sie als dessen Wunsch verstanden und schließlich akzeptiert wird. Er selbst hat sie insofern als indirekt zu verstehen, als er sie nicht auszuführen, sondern ihre Ausführung zu veranlassen hat. Da man in ihm den unsichtbaren Häuptling und im Signal seinen Willen erkennen muß, ist die mehrstufige Hierarchie trotz komplexer Dominanzverkettungen nicht im Tierreich zu finden. Die Sprache als ihre Voraussetzung muß vollkommen von der Person, die sie benutzt, getrennt sein. Sie muß Sachverhalte bezeichnen können, die nicht von der Gegenwart oder von der Art und Verfassung, von Stimmung und Situation des Informanten abhängen.
Wird der Beauftragte zur Institution, haben wir die Geburt der mehrstufigen Hierarchie. Wo in der Literatur von “Dominanz-Hierarchie” gesprochen wird, ist meist die Institutionalisierung der Dominanzen gemeint, keine Bildung von Unterbereichen mit delegierter Lenkungsvollmacht. Letzteres ist bei Weber aber ausgesprochen, und zwar als Übergang von der patriarchalen zur patrimonialen Herrschaft.
Sie, die Mehrstufigkeit, ist zweifellos eine Revolution, oder besser: der gesellschaftliche Teil der neolithischen Revolution. Im Bereich der Technik wurde er von der Knochenmühle (...einer Arbeit, die die Spuren aller denkbaren Gelenkerkrankungen hinterließ: “Die beredten Skelette von Tell abu Hyreyra”, Spektrum 9/94) des Landbaus begleitet oder eingeleitet. Durchaus angemessen wird dieser Übergang dargestellt als die Vertreibung aus dem Paradies. Will sagen, diese Revolution war keinesfalls ein Bedürfnis oder ein Schritt auf dem Weg zu individueller Zufriedenheit, sondern eine bittere Notwendigkeit. Sie darf zugleich eine Machenschaft Dererdaoben genannt werden, die das Zeitalter der Unterdrückung einleitete. Als reine Ranküne allerdings hätte Hierarchie nicht überlebt; sie war ein mächtiger Ordnungsbildner, der viele gesellschaftliche Funktionen so kanalisierte, daß sie ausgeübt werden konnten.
Nicht nur bewaffnete Auseinandersetzung ist Krieg, auch Organisation ist Krieg. Krieg für Friedenszeiten. Egoismus oder Gemeinsinn der Lenker änderten jedenfalls nichts an ihrem (der Mehrstufigkeit) Eintritt, wenn die Verdichtung sie verlangte. Entweder die Menschen verhungerten, oder sie erklimmten den nächsten Organisationsgrad. Die organisierten Bereiche überlebten, wobei in ihnen die Hohen erhöht und die Niederen erniedrigt wurden.
Zweifellos gab es Interessenten, die von bevorzugter Stellung aus den Prozeß beeinflußten und mächtig antrieben. Und es gab ein gewaltiges Überschießen der Funktion in Ritual, Privileg und Unterdrückung. Aber es gab zahlenmäßig weit größere Gegnerschaft, Mühsal und Widerwillen, so daß ohne die Macht der Struktur nichts zu erklären ist. Allein dem Bösen ist der Sündenfall nicht zuzurechnen. Man steht doch wieder vor der Notwendigkeit beschleunigter Ressourcenflüsse und ihrer organisatorischen Voraussetzungen als Folge der Verdichtung. Niemand mußte sich diesen Schritt der Disziplinierung und Kanalisierung vornehmen - aber wo man ihn tat, überlebte die wachsende Gemeinschaft - auch auf Kosten der eigenen Nützlinge.
Noch heut wird an den Fakultäten gerätselt, wie die Menschen zu solcher Plackerei und Versklavung gebracht werden konnten. Die Bosheit und Verdorbenheit der Schuldigen, ihre Verblendung und vor allem die der Genutzten muß um so höher getrieben werden, je weniger man strukturelle Zwänge dahinter erkennen mag. Bei ihrer Einführung war die Macht der Struktur sicher nicht bewußt akzeptiert, vielleicht nicht einmal wahrgenommen worden. Aber daß ihre Vorteile sofort sichtbar wurden, ergab sich aus der Konkurrenz der umliegenden Bereiche. Der “strukturelle Zwang” wirkte hier nicht kausal, sondern im Sinne eines darwinschen Prozesses: von den verdichteten Bereichen überlebten die, die ihren Organisationsgrad durch Einführung zB der mehrstufigen Hierarchie steigern konnten. Die, die es nicht vermochten, sanken in sich zusammen oder wurden zu Opfern der anderen.
Die Macht von Ritual und Privileg
Der militärische Vorteil der rein funktionalen Mehrstufigkeit bei größeren Massen bedarf keiner Begründung. Aber auch die sich aus der Arbeitsteilung ergebenden Koordinationsaufgaben waren nicht weniger dringlich. Der Landbau erforderte ein eisernes Vorrats- und Saatgutmanagement. Bewässerung und Handel dehnten es aus zu umfangreicher Verwaltung. Bemerkenswert ist dabei wieder jener riesige Überschuß an Ritualisierung, Mystifizierung und Vergöttlichung, der die Funktionshierarchien umrankte und verteuerte. Ritual und Privileg überwucherten immer wieder die Funktion. Man darf sie jedoch nicht als überflüssigen Zierat verkennen. Sie waren die Übersetzer, die die Funktion im Weltbild verwirklichten. Wenn Pharao im hohen Sonnenwagen fuhr, dann war er eben Gott und konnte Wesire und Baumeister mit der nötigen Macht ausstatten. Insofern waren Ritual und Privileg konstituierende Bestandteile der Organisation von Sozietäten. Im Schlepptau der Pharaonen-Pyramide wuchsen auch Gerste und Fladenbrot. Dies löste von Ramses bis Stalin alle Bremsen der Bürokratisierung. Was ihre Kosten anbetraf, ließen diese trotz der anfänglichen Vorteile im Laufe ihres Wachstums alsbald ganze Kulturen sterben.
4.8.2.4 Hierarchie und Charakter
Wenn schon die Führung in der einstufigen Hierarchie die Kälte erfordert, vom Individuellen zugunsten des abstrakteren “Ganzen”, der Horde, des Stammes absehen zu können, so hat in der Mehrstufigen das Ganze hinter die noch abstraktere Funktion zurückzutreten. Wenn der Häuptling immer noch eigene oder Stammesinteressen mit sich trug, hatte der Beauftragte von beiden zu abstrahieren und auch den nicht einsehbaren Befehl zu befolgen. Da er meist nicht wußte und häufig nicht wissen sollte, wie die Befehle an die anderen Beauftragten lauteten, liegt bei der Ausführung das Ganze für ihn im Nebel und er hat sich auf seinen Teil zu konzentrieren.
Die endlose Vor-Übung der Einstufigkeit hatte das Muster von Befehl und Gehorsam eingeschliffen. Jetzt mußte es von den Individuen der neuen Schichten nur gleichzeitig - nach oben als Beherrschter und nach unten als Herrscher - ausgeübt werden. Es war eine strukturelle Anforderung, die einen bestimmten Charakter erst erforderte und dann hervorbrachte. Wer will, mag die Reihenfolge umkehren, aber dabei nicht den Zweck der Struktur unterschlagen.
Auch der Krieg braucht ja keine bösen Menschen; er braucht zunächst nur gute Gründe. Der Friedensfreund wird einwenden, daß es keine guten Gründe für einen Krieg gibt. Dies zugestanden, bleiben immer noch Pflichten gegen das wahrgenommene Böse, das heranrückt. Wie sagte Einstein? Gegen den Krieg müßte man mit allen Mitteln kämpfen. (auch Goethe: “...dann stünde die Macht auf gegen die Macht und wir erfreuten uns alle des Friedens.”) Das letzte Mittel im Friedenskampf bleibt eben der Krieg.
Man muß sehen, daß die Mehrstufigkeit nur aus der striktesten, total verinnerlichten einstufigen Hierarchie erwachsen ist und durch die steigende Bevölkerungsdichte und die damit verbundene Vergrößerung der zu lenkenden und zu koordinierenden Bereiche erzwungen wurde. Jäger und Sammler hätten, das braucht man nicht vorzurechnen, die Menschen (-anzahl) des alten Ägypten nicht ernähren können. Ein noch so verehrter oder gefürchteter Häuptling hätte keine Bewässerungsanlagen oder Vorratshaltungen vom Umfang der ägyptischen ohne Beauftragte organisieren können.
Vorformen
Zwar können wir nichts genaues über die Organisation der neolithischen Gesellschaften sagen; die verfügbaren technischen Mittel sind aber aus Artefakten weitgehend erschlossen. Sie weisen auf Sozietäten in der Größe rezenter Stammeskulturen hin, die schon aus Gründen ihrer Individuenzahl kaum eine institutionalisierte Mehrstufigkeit benötigten. Diese tritt uns aber am Ende des Neolithikums mit dem Beginn der “hydraulischen Kulturen” in hochritualisierter Pracht entgegen. Sicher wurden bis dahin zahlreiche und vielfältige Übergangsformen durchlaufen, so daß offen bleibt, ob nicht schon in den Gartenbaukulturen solche Organisationsformen und -vorformen zu finden waren. Die Diskussion wäre kaum abzuschließen, wollte man sich auf einen festen Zeitraum für die Einführung der Mehrstufigkeit einigen. Das ist jedoch nicht nötig; es genügt, daß es eine Zeit ohne sie und danach eine mit ihr gab - also muß sie geworden sein.
Ist beispielsweise der in afrikanischen Kulturen etablierte „Rat der Alten“ eine Form mehrstufiger Hierarchie? Er wäre es nur, wenn er im Hinblick auf Untergruppen exekutive Aufgaben hätte. Wo er die rein beratende Funktion innehat und sie nicht überschreitet, ähnelt er mehr einem Parlament oder einer Lobby. Beide nehmen zweifellos steuernde Funktionen wahr, jedoch nicht nach Art einer Beamtenhierarchie von oben nach unten. Der Ratschlag geht nach oben - nicht als Befehl - und kehrt als durch ihn beeinflußte Steueranweisung direkt nach unten zurück, wo er die materiellen Veränderungen bewirkt. Gibt der Häuptling selbst die Anweisung, haben wir reine Einstufigkeit, nutzt er einen Boten, so können wir von temporärer, nicht aber von institutionalisierter Mehrstufigkeit, sprechen.
Schon ein Bauwerk wie Stonehenge muß wenigstens temporär von mehrstufig organisierten Massen errichtet worden sein. Es ist nicht nur die Bearbeitung und der Transport der Blöcke mit den dazugehörigen Erdbewegungen, sondern auch die Ver- und Entsorgung der damit Beschäftigten, die eine ausgefeilte arbeitsteilige und über zahlreiche Beauftragte zu vermittelnde Logistik erforderte. Andererseits braucht man sich diese Logistik nicht allzu umfangreich vorzustellen, da damals wahrscheinlich ganz andere Bauzeiten galten, wodurch das vorgestellte Nebeneinander wenigstens teilweise in ein Nacheinander gewandelt wurde. Damit mag sich auch diese Form der Mehrstufigkeit eher als eine temporäre darstellen. Ganz gleich, wie die Prozesse sich historisch abgespielt haben, gleich auch, ob diese Betrachtungen reine Spekulation bleiben - es handelt sich um einen gewaltigen Qualitätssprung in der Menschheitsgeschichte, sichtbar dokumentiert im Schritt vom Stamm zum Reich.
6.2.7 Die Entwicklung der Technik
bezüglich hierarchischer Strukturen
Mit der Erfindung der Werkzeuge war im technischen Bereich zunächst nur verbunden, was wir in der Gesellschaft Norm oder Kanalisierung nennen. Es ging nicht mehr um suchen und finden, sondern um planen und machen. Der Bedarf setzte den Zweck und dieser bestimmte das Tun. Darüber hinaus enthält das Werkzeug ein Moment der Hierarchie (...der Genese) insofern, als es zur Herstellung vieler Werkstücke dient, denen es seinen Charakter aufprägt. Es erinnert darin an eine Information, die in gleicher Weise an viele Empfänger geht oder an eine Idee, die die Form bestimmt.
Im Neolithikum entstanden dann vermehrt die Werk-Werkzeuge, die im eben erläuterten Sinne das Merkmal der Mehrstufigkeit tragen. Beispiele sind Stein-Werkzeuge, mit denen man Holz für Pfeil und Bogen bearbeitete. Sie prägen nun die Werkzeuge und diese wieder die Werkstücke.
Viel später wurden Maschinen entwickelt, die echte dynamische Mehrstufigkeit exekutierten, indem sie auf veränderte Bedingungen reagierten und/oder Energie in Kaskaden lösen und verstärken. Vorhandene oder gestaute Energie verrichtete mit ihrer Hilfe Arbeit. Es entstanden Stauwerke, Hebel, Flaschenzüge und Techniken, mit denen die Kraft der großen (Menschen-) Zahl oder die “Kraft der Natur” in Richtung auf eine Ziel kanalisiert werden konnte. Die Kanalisierung geschah in vielen Schritten. So wurde zunächst die Kraft des Windes oder des Feuers in eine Drehbewegung und dann das Korn in Brot oder das formlose Erz in Millionen von Nägeln oder Autos verwandelt. Diese zweite Form der Kanalisierung, die die Produkte betraf, erschien bei Marx als “Formierung”. Je größer die Kräfte, je zahlreicher die Produkte wurden, desto geringer wurde in ihrem Spiel der Anteil der menschlichen Muskelkraft. Sie diente bald nur noch dazu, Kräfte und Energien ganz anderer Größenordnung freizusetzen. Kleine Ursache machte große Wirkung, auf die Art, wie bereits im Kapitel “Information” erklärt.
Verhältnismäßig spät übernahm die Technik das Mittel der Rückkopplung oder Selbststeuerung, das in der Gesellschaft schon lange geübt, aber als Prinzip nicht formuliert war. Solange man denken kann, gab es die Rückkopplung der Regierenden per Information durch Beobachtung, Zuträger, Census usw.. Staatslenkung war so durchaus ein kybernetisches System. Allerdings war auch in der Technik vor Einführung der kybernetischen Maschinen der Mensch häufig als Steuerglied zwischengeschaltet. Jedoch erst Maschinen, die ohne Zwischenschaltung des Menschen unmittelbar ihre eigenen Zustandsgrößen (zB Drehzahl) maßen und in Steuerimpulse (zum Bremsen, Beschleunigen) verwandelten, werden der Kybernetik zugerechnet.
6.2.8 Mehrstufigkeit, Bereichsgröße und Ressourcenstrom
Mit wachsender Bereichsgröße werden im Zuge der Globalisierung Interdependenzen und Informationen, Hierarchien und Rückkopplungen immer komplexer und immer lebenswichtiger. Technik und Menschheit werden mittels der Vernetzung zu einer Einheit verwoben, die die Ressourcenströme zu lösen und zu kanalisieren hat. Tatsächlich treibt sie sie auf tödliche Beschleunigung - um ihr Überleben zu sichern.
Eine Unzahl von Steuergrößen, die zwischen allen Bereichen fluktuiert, hat den Eindruck erweckt, als sei sie in Form des horizontalen Informationstausches das Wesen des „Prozessierens“ der Systeme. Doch werden die Ströme nicht von den waagerechten oder Quer-Informationen getrieben, sondern nur vorbereitet. Eine Meldung über den Bedarf sagt mir, wann ich die Maschinen in Gang zu setzen habe, aber den Anstoß, der materielle Folgen hat, gibt der Produktionsleiter.
Zwar ist heute die Mehrzahl aller Berufstätigen vom Steuerberater über den Bühnenarbeiter und Börsianer bis zum Pharmavertreter bloß mit der Lenkung (weniger mit “Formierung” und Lösung) von Ressourcen beschäftigt. Aber für das Überleben der Lenker und Gelenkten, deren reiner Lenk-Energieverbrauch sich vielleicht auf das Schreiben von eMails beschränkt, rasen Brenner, Pumpen und Turbinen.
Die zwischen den Systemen waagerecht fluktuierenden Informationen beeinflussen wohl Richtung und Zeitpunkt von Ressourcenströmen, aber ihre Stärke nur mittelbar. Daher sind immer noch die unspektakulären vertikalen Ströme des Alltags und ihre mehr oder weniger abstrakten Treiber das folgenreichste Moment menschlichen Daseins. Hier exekutiert die mehrstufige Hierarchie den Verbrauch, den Wohlstand, das Artensterben und die Kontaminierung; sie sorgt für Hunger und Überfluß, für Mehl, Flüchtlingsströme und Drogen. Kein Krieg tilgt soviel Leben wie die simplen Bestellzettel unserer Friedensgesellschaft.
In den baulichen Formen werden die hierarchischen Strukturen der Organisation sichtbar. Wir finden die Hütten der Subsistenzgesellschaften weit verstreut, aber allmählich verschwindend, die kleinen Städte mit ihren mäßigen Erhebungen, die Großstädte und schließlich die Welthauptstadt mit den Spitzen der Ressourcensteuerung, den Welthandelszentren. Sie sind nicht nur das Symbol für die Steuerung der Welt, sondern auch für ihre Risiken und für die aus der Macht der Hierarchie unwiderstehlich erwachsende Fehlsteuerung.
7.0 Die Psychologie der Hierarchie
In Betrachtungen über „Hierarchie“ fließen von Anfang an psychologische Argumentationen ein. Das ist unvermeidlich, weil Hierarchie ohne Norm nicht stattfindet und weil Norm ein wesentlich innerer Zustand der Individuen ist. Stärke und Art der Norm hängen ganz eng mit deren psychischen Verfassung, mit Spannungszuständen und mit der inneren Spiegelung der äußeren Verhältnisse zusammen. Der Wunsch nach Stabilisierung und Stabilität des Weltbildes treibt und kanalisiert mit derselben Kraft wie die Grundbedürfnisse Hunger und Durst es tun. Der Glaube ist im hierarchieschen System das Steuerungsinstrument schlechthin. Hier findet die direkteste Wechselwirkung von Struktur und Psyche statt.
7.0.1 Auf- und Abstieg
Schon die gewaltigen Emotionen, die mit dem Wechsel von Hierarchie-Ebenen verbunden sind, weisen die Hierarchie als einen tief verwurzelten Archetypus aus. Jeder mag an sich selbst studieren, wie ihn ein Aufstieg freut und ein Abstieg schmerzt. Und wem der Titel eines Oberbuchhalters gleichgültig ist, der möge sich auf die Anerkennung und die Rangung auf dem Gebiet seines Interesses zurückziehen, damit er spürt, daß es eine Immunität gegen dieses Gefühl nicht gibt. Auch Rangzeichen außerhalb des eigenen Bereichs sind von emotionaler Relevanz -: “... lichten Sie mal einen Künstler oder einen Steuerberater mit einer Dienstmütze ab”. (Natürlich nur, wenn er nicht gerade parodistisch tätig ist oder seine Verbundenheit mit dem, äh, einfachen Volk dokumentiert)
Die mit Auf- und Abstieg verbundenen Emotionen sind von Bedeutung für die Stabilität von Bereichen. Ungezähmt wären sie ein absolut destabilisierendes Moment, weil die Kämpfe um die Stellung nicht aufhören würden. Erst in Verbindung mit dem Ritual der Anerkennung erhalten sie die Sozietät. Ist nämlich die Hierarchiefrage einmal geklärt, sorgt das Individuum selbst mit aller Kraft für den Erhalt seiner Stellung. Die Anerkennung der anderen bewahrt die innere Stabilität. Die Kontinuität von Stellung und Zugehörigkeit stabilisiert auch das Weltbild und damit die Sozietät. Wenigstens auf Zeit.
Die Frage, ob jetzt das stärkste Individuum auch das am besten angepaßte ist, stellen Natur und Geschäftsführung hinter die Stabilität des Bereichs zurück. D.h. es ist offenbar besser, die Horde oder die Firmenabteilung hat eine dauerhafte Struktur, als daß sie vom genetisch bestausgestatteten Wesen geführt wird. Rangkämpfe sind nur in Brunft- oder Wahlzeiten zugelassen.
7.2 Gemeinsamkeit und Besonderheit
Ein Teil der Sicherheit, der sich durch den Aufenthalt unter Gleichen ergibt, wird aufgegeben beim Streben nach einer höheren Stellung. Hier scheint die hierarchische Emotion gegen das Sicherheits- und Gemeinschaftsbedürfnis zu wirken. Ein Lenker muß gewisse Grundsätze und Bestandteile der Norm dem Bereichserhalt, ja dem bloßen Aufstieg opfern oder zumindest dafür uminterpretieren können.
Trotzdem sind sie beide, der Wunsch sowohl nach Gemeinsamkeit als auch nach Besonderheit in ein und demselben Individuum enthalten. Wo das Sicherheitsbedürfnis überwiegt, findet Einordnung statt. Wo der Wunsch nach Besonderheit überwiegt, setzen die bekannten Rangkämpfe ein. So wächst mit der Höhe der Schicht, mit dem Maß an Lenkungsvollmacht die Konkurrenz aber auch die Angleichung innerhalb der Ebene, der Standesdünkel. Ist der Aufstieg nicht zu bewältigen, separiert sich das ambitionierte Individuum zur Dokumentation seiner Besonderheit von der Gemeinschaft. Die dabei aufgehende Differenz zwischen Anspruch und Stellung mündet oft in der Komik (Thomas Mann: “Daniel zur Höhe”). Welche Intention auch immer den Menschen bewegt, sie spielt im Schema / auf der Bühne der Hierarchie.
7.3Druck und Kanalisierung
Bevor wachsender Druck in die Expansion mündet, muß die Gleichrichtung innerhalb des Bereichs erfolgen. Die Phase der Gleichrichtung ist gekennzeichnet dadurch, daß mikroskopische Abweichungen im Innern scharf bekämpft werden, schärfer zunächst als das ungläubige Umfeld. Hier erfolgt die Gleichrichtung nicht nur auf einen diffusen Druck hin, der irgendeine Bewegung, ein Ausweichen erfordert, sondern auf eine konkrete Bedrohung hin, der nur durch gezielte Aktion zu begegnen ist. Die dadurch bewirkte Gleichrichtung ist tiefer angelegt, stärker strukturiert und zweckbestimmter.
Es werden die Teile des Weltbildes, die der Befreiung der Tat dienen unter Druck verstäkt, während die kontemplativen und sozialen verkümmern. So mußte die Botschaft der Liebe von der ecclesia triumphans ein wenig vertagt werden, als es um die Züchtigung der Fehlgläubigen ging. Die gemeinsame Tat als einzige Ausbruchsmöglichkeit erfordert sowohl die Nutzung als auch die Verbiegung des Weltbildes. Die Religionsgründer hatten zwei widersprechende Ziele zu bedienen - nach innen den Frieden und nach außen die Wehr-Macht, ja einfach die Aggression. Das Individuum, das beides kann, hat damit kein Problem. Aber eine Religion für die Welt mit dem Postulat der allgemeinen Menschenliebe war damit überfordert. Also wurde das Weltbild verbogen, damit der Kirchgänger Liebe, Krieg, Folter und Sklaverei gleichzeitig ausführen, aber unterschiedlich gewichten konnte. Oft half ein temporärer Sichtwechsel; alles zu seiner Zeit!
Zunehmende Dichte steigert entweder den Organisationsgrad oder tilgt den Bereich. Auf dem Floß der Medusa ereignete sich beides zugleich. Nahe am Untergang, vor der Auflösung des Floßes und dem Versiegen der letzten Vorräte bildeten sich zwei feindliche Lager, das eine geführt von einem Militär, das andere von einem Outlaw. Der zusammenbrechende Organisationsgrad vermindert die Reichweite beim Zugriff auf die Ressourcen - der Bereich zerfällt. Das Floß verhält sich als Modell zerfallender Großreiche. Der sinkende Organisationsgrad wird wegen der drastisch verminderten Ressourcenströme begleitet von erhöhtem psychischem Druck auf die Individuen; das abgestimmte Zusammenwirken der Teilbereiche hört auf und wird abgelöst von Konkurrenz und Gegnerschaft. Die Teilbereiche ordnen sich gegeneinander. Nach innen wird eine Steigerung des Organisationsgrades erzwungen. Disziplin und absoluter Gehorsam werden schärfer als zuvor, aber nur auf den Teilbereich, zB die Familie bezogen ----> Mafiotisierung tritt ein.
Vom stärksten, vom bestorganisierten Teilbereich geht dann durch Expansion die neue Ordnung aus. Die Träger der neuen, der sich ausbreitenden Norm haben sogar, da ihre Exponenten das Steuer übernehmen, den Eindruck, daß ihr Wille geschieht. Individuell wird ein Umbruch als Ausbruch empfunden. Da Privilegien selbstverstärkend, d.h. eine Funktion der Zeit (auch ohne Bevölkerungswachstum) sind, wachsen Verdichtung, Kanalisierung und damit das Gefühl der Bedrängnis bis zur Unerträglichkeit. In der großen Übereinstimmung des Aus- und Umbruchs, der Destruktion von gefrorenerKomplexität, können sich zeitweilig alle als Lenker fühlen. In diesem Sinne ist der Umbruch eine Hochzeit der Gefühle. Die Gemeinsamkeit, die lebende Norm treibt zu gemeinsamer Tat und gibt jedem die Gewißheit sein Ziel zu erreichen.
Die Hierarchie selbst zerfällt nicht. Sie wird geteilt und vervielfacht, aber sie wird strikter, wie Machtübernahme, Revolution, Einigung, Zerfall und Mafiotisierung der Staaten beweisen. Mangel und Gefährdung zwingen in den Bruchstücken die Individuen zum Zusammenschluß. Die Teilbereiche müssen sich neu organisieren; die Gesetze werden vereinfacht, ihre Durchsetzung geschieht unmittelbar über die neue Norm und oft ohne Umweg über die Justiz. Da guter Wille die Kompetenz ersetzen muß, wird dem Chaos die Stärkung der Hierarchie entgegengesetzt. Der Bruch nach dem langen Anstieg von Disziplinierung, Ausbildung, Gesetzesflut hat nur eine kurze Phase der Freiheit zur Folge. Schlagartig muß die Kanalisierung zurückkehren, hat jetzt aber nur ein Moment: die Hierarchie! Die Norm, der rechte Glaube, das richtige Bewußtsein können in der verfügbaren Zeit einfach nicht die langjährige Sachvermittlung ersetzen. Es beginnt die Blüte der Bürokratie, des Gehorsams, der Straflager.
Bemerkenswert ist eine Phasenverschiebung zwischen künstlerischer Blüte, Vielfalt, Intuition, Selbständigkeit auf der einen und Bereichsstabilität auf der anderen Seite. Erst die Gefährdung und die Erschütterung erlaubt es offenbar, die Ebene der Selbstverständlichkeiten zu unterlaufen. Erst die Risse im Gewohnten öffnen den Blick in die Tiefe.
7.4Der innere Organisationsgrad
Wenn aber der Organisationsgrad sich bildete, der der Verdichtung entsprach, dann kann man davon ausgehen, daß mit dem technischen auch ein gesellschaftlicher und vor allem ein innerer oder individueller Organisationsgrad einherging, ja unvermeidlich war. Bevor die bekannten Expansionen der Geschichte begannen, fand eine schleichende aber gründliche Kanalisierung des Menschen und vor allem des Allzumenschlichen statt. Sie wurde lange vor der Expansion eingeleitet durch technische Innovationen, durch immer genauere Messung und Verarbeitung im Produktionsbereich, durch zeitliche und räumliche Einengung, durch strikte Verwaltung und Erziehung, auch durch die zB bei Foucault [“Überwachen und Strafen", Suhrkamp Taschenbuch 2271] ausführlich dargestellten Techniken der Disziplinierung, kurz, durch die Erfordernisse der Verdichtung. Was bei Foucault als ein Verderb und eine Selbstbeschneidung des Menschen erscheint, ist jedoch darüber hinaus eine bittere Notwendigkeit der produzierenden Gesellschaft. Denn im Beruf die Kultur der Langsamkeit pflegen, im Verkehrswesen die Traumwelt rufen oder im Atomkraftwerk fünfe grade sein lassen, das würgt die zum Überleben benötigten (aber mit der Zeit und letzten Endes wieder tödlichen) Ressourcenströme ab.
7.5 Sozialdisziplinierung
Die “Dressurmethoden” (ebd. [14], S. 170), die Kanalisierung der Menschen durch den Organisationsgrad, der allmähliche Verderb der Kinder durch Härte und Abhärtung wirken über Generationen. Z.B. Gerhard Oestreich („Strukturprobleme der frühen Neuzeit“, Duncker & Humblot, Berlin 1980) spricht von der politischen und kirchlichen Sozialdisziplinierung in Preußen. Hier (S. 278) konstatiert er einen Umstand, der die preußische Variante der gesellschaftlichen Hierarchie besonders effektiv gestaltet: „...in der Führungsschicht das aktive, vorwärtsdrängende Element des Calvinismus .... in den Untertanen das duldende und gehorsame Luthertum,...” - womit jede Ebene in ihrem Selbstverständnis und ihrer Funktionsfähigkeit schichtgemäß bestätigt und regelrecht optimiert wurde.
Auch Disziplinierung setzt Verdichtung voraus. Denn jeder, der Alternativen hatte, konnte sich ihr entziehen. Daher ist Disziplinierung nur möglich, wo durch Verdichtung die Freiheit gezügelt wird. Man mag einwenden, daß auch Individuen Gehorsam übten, die eine Alternative hatten. Das ist kein Gegenbeweis, da die vorangegangene oder überhaupt die anfängliche Disziplinierung nur durch Alternativlosigkeit möglich war. Als eine Form der Erziehung wirkte sie lange nach. Damit könnte man den Beginn der Disziplinierung bis auf die Horde zurückführen, sozusagen als ewiges Erbe. Doch können an Hand von Migrationen auch Zeiten der Toleranz beobachtet werden, die ganz offensichtlich mit einer Entspannung in der Dichtefrage, d.h. mit einem relativen Wohlstand korrelierten.
Trotz ihrer durchaus zu konstatierenden Vererbbarkeit geht die Disziplinierung bei nachlassendem Druck verloren. Staaten und Armeen zerfallen, Verweichlichung zieht ein, Pünktlichkeit und Gehorsam leiden, menschliche Erwägungen greifen um sich und allenthalben verschwindet die Idee, die alle Opfer rechtfertigt, aus den Köpfen. Der Preis für die Befreiung ist eine doppelte Anfälligkeit: der Bereich wird militärisch und organisatorisch schwächer und die Psyche des Individuums wird labiler. Mit dem Wohlstand kommen die Psychologen.
Nimmt der Druck infolge allmählicher Verdichtung jedoch stetig zu, dann baut sich ein Grad der Disziplinierung auf dem anderen auf. Während Fontane “Dienstknüppel und Pflichttrampel” findet, kann Heinrich Mann den “Untertan” zeichnen und eine weitere Generation später wird Hitler “Mein Kampf” zum Bestseller machen. Der Typus des Hierarchen gewann immer schärfere Konturen. Er wurde von der Ordnung geprägt. Adorno: (“Studien zum autoritären Charakter”, stw 1182, 1996, S. 7) “Weit davon entfernt, etwas von Anfang an Gegebenes, Fixiertes zu sein, das auf seine Umwelt reagiert, entwickelt er (der Charakter als Determinante ideologischer Präferenzen, hier insbes. der faschistischen) sich unter dem Druck der Umweltbedingungen und kann niemals vom gesellschaftlichen Ganzen isoliert werden, in dem er existiert. Nach dieser Theorie formen Umweltkräfte den Charakter um so gründlicher, je früher sie in der Entwicklungsgeschichte des Individuums eine Rolle spielten. Die Entfaltung des Charakters hängt entscheidend vom Verlauf der Erziehung des Kindes und von seiner häuslichen Umwelt ab, die zutiefst von ökonomischen und sozialen Faktoren geprägt sind.”
7.6 Ordnung und Charakter
Entscheidender als wohl Adorno selbst es sah, ist hier die Passage “unter dem Druck der Umweltbedingungen”. Denn erst, wenn der Druck zunahm, der die Form der Verdichtung hatte, ganz gleich, ob durch Feinde, durch Ressourcenschwund, durch die hierarchiebildenden Kräfte mit dem dazugehörigen Privilegienausbau, durch Bevölkerungswachstum oder Aufrechterhaltung der dauernden Hochorganisation usw., mußte der Organisationsgrad gesteigert werden. Es galt vorhandene Ressourcen zu sparen oder neue zu erschließen, es galt schneller, genauer und effektiver zu werden um eher zu reagieren, zu expandieren, zu zahlen oder zu mobilisieren - andernfalls war der Bereich gefährdet. Entweder Hunger oder mehr Ordnung hieß die Devise und Ordnung hieß auch Disziplin.
Aber so sehr Ordnung den Charakter formen bzw. verderben kann - der Charakter ändert wenig an der Art und Weise gesellschaftlicher Bewegungen. Er ändert nur etwas am Ausmaß, am Eintrittsdatum der Bewegung und an der Güte der Begründungen. Ein schlechter Charakter hat schlechte Gründe für einen Krieg / eine Revolution / eine Kürzung der Mittel / einen Abbau des Personals / für eine Verurteilung oder schlichtweg eine Maßnahme, und ein guter Charakter hat gute Gründe.
Mit fortschreitender Verdichtung wird die Maßnahme im Sinne des Bereichserhalts immer unvermeidlicher, bis nicht nur der korrumpierte Staatsmann, sondern irgendwann auch ein Engel ausruft: “Einer muß ja der Bluthund sein!” Gegenwärtig haben wir höchsten Opfer- und Märtyrermut und zugleich kriminellste Mordgesinnung in einer Person - nur unterschieden nach dem, der die Beurteilung ausstellt. Extreme Urteile? Wohl eher verschiedene Ansichten über die Schutzwürdigkeit des Bereichs, den sie erhalten sollen.
In der Gegenwart, wo die Überflüssigen nicht mehr in Kriegen verwendet und verbraucht werden können, sind diese von der Disziplinierung ausgenommen. Sie werden vergessen und der Verwahrlosung, manchmal auch der Freiheit überlassen. Ihre Aufgabe haben Fließbänder und Drohnen, automatische Förderanlagen und Motoren, kurz die “Naturkräfte” (Marx) oder die anschwellenden Ressourcenströme übernommen. Auf die Nützlinge aber wirkt immer noch über Generationen die innere Kanalisierung, die u.a. die Norm der Lenkbarkeit implementiert und seit Gedenken implementiert hat. Unter Druck wird sie konserviert und gesteigert und ständig verschärft, oft bis zum Bruch; durch Entspannung wird sie geschwächt und ausgehöhlt, sie wird anpassungsfähiger und kann wieder das Individuelle zulassen.